Cicero hat auf Herausgabe der Grundlagendokumente für den eiligen deutschen Atomausstieg geklagt und eine gefälschte Datenbasis vorgefunden:
Nicht nur im Wirtschafts-, sondern auch im Umweltministerium wurden Fachleute ausgebremst. Die obersten Atomaufseher des Landes arbeiten dort in der Abteilung S „Nukleare Sicherheit, Strahlenschutz“. Zum Leiter dieser Abteilung machte die neue Ministerin Steffi Lemke im Februar 2022 einen entschiedenen Kernkraftgegner. Der Fachjurist Gerrit Niehaus war früher bereits im Umweltministerium tätig gewesen. Als 2011 die Grünen in Baden-Württemberg an die Macht kamen, holte ihn der damalige Landesumweltminister in die Atomaufsicht nach Stuttgart. Gut zehn Jahre später warb ihn Lemke wieder ab und lockte ihn zurück nach Berlin.
Aus Sicht der Grünen hat sich diese Personal entscheidung gelohnt. Denn kaum im Amt, zeigte Niehaus, wozu er geholt wurde: Als Abteilungsleiter schrieb er einen Vermerk der ihm untergebenen Fachleute so um, dass er zum politisch vorgegebenen Ziel passte. Wer die beiden Versionen nebeneinanderlegt, kommt ins Staunen.
Der erste Vermerk ist von zwei Referenten und einem Referatsleiter gezeichnet und stammt vom 1. März 2022. Unter der Überschrift „Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke – Mit der nuklearen Sicherheit verträgliche Szenarien“ wurde darin dargelegt, was aus technischer Sicht möglich gewesen wäre. Die Verfasser beschreiben einen Weiterbetrieb der damals noch laufenden Atomkraftwerke „über mehrere Jahre“ als „mit der Aufrechterhaltung der nuklearen Sicherheit vereinbar“ und legen dar, welche Schritte dazu notwendig wären. Beraten hatten sie sich mit der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), an der auch der Bund beteiligt ist und die die beste Expertise in diesen Fragen hat.Diesen Vermerk bekam Gerrit Niehaus auf den Tisch und muss sehr unzufrieden gewesen sein. Denn er schrieb ihn komplett um. Zunächst ersetzte er überall das Wort „Kernkraft“ durch „Atomkraft“. Dann machte er sich daran, die Kernbotschaft des Vermerks in ihr Gegenteil zu verkehren.
In der neuen Version vom 3. März – die nicht mehr namentlich, sondern nur mit „Abteilung S“ gezeichnet ist – fehlte die Aussage, dass eine echte Laufzeitverlängerung mit neuen Brennstäben für mehrere Jahre sicherheitstechnisch möglich wäre. Stattdessen stand dort ganz oben und fett gedruckt:
„Die Abteilung S (Nukleare Sicherheit, Strahlenschutz) kommt zu dem Ergebnis, dass die Verlängerung der Laufzeit der drei noch laufenden Atomkraftwerke über den gesetzlich festgelegten und planerisch zugrunde gelegten 31.12.2022 hinaus sicherheitstechnisch nicht vertretbar ist.“
Und ganz am Ende, ebenfalls in Fettschrift:
„Eine Laufzeitverlängerung ist aus Gründen der nuklearen Sicherheit abzulehnen.“
Dass die Experten der GRS fachlich beteiligt worden waren, steht nur in der ersten Version des Vermerks. In der zweiten fehlt dieser Hinweis. Gegenüber Cicero erklärte Geschäftsführer Uwe Stoll: „Zwischen erstem und zweitem Vermerk gab es keine Einbindung der GRS.“ Mehr wollte er dazu nicht sagen.
src: click
Die selbstredend auch die Lastspitzen für konventionelle Energiekraftwerke im Jänner und im Februar wegredigiert hat:
Nun stellt sich heraus: Diese Argumente lagen von Anfang an auf dem Tisch. Gut aufbereitet von verbeamteten Fachleuten, deren Aufgabe es ist, das Wohl des ganzen Landes im Blick zu behalten, nicht das einer Partei. Sie schrieben am 3. März 2022:
„Für die Versorgungssicherheit besonders relevant sind winterliche Hochdrucklagen im Januar und Februar. Dann treten aufgrund niedriger Temperaturen und einer geringen Windstromerzeugung regelmäßig die höchsten Residuallasten auf.“
Zur Erklärung: Residuallast ist der Anteil am Strombedarf, der nicht durch Wind und Sonne gedeckt wird.
„Es ist heute unklar, ob für den nächsten Winter ausreichend Erdgas eingespeichert werden kann, um einen tagelangen Betrieb von Gaskraftwerken neben dem Verbrauch in der Industrie und zur Wärmeversorgung zu ermöglichen. (…) Eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke bis zum 31.3. kann helfen, diese Situation zu entschärfen. (…) Zudem ist es äußerst risikoreich, die Stromerzeugung aus Erdgas im nächsten Winter ausschließlich durch die zusätzliche Strom erzeugung aus Reserven und bereits stillgelegten Kohlekraftwerken zu stützen.“
Auch die positiven Auswirkungen einer Laufzeitverlängerung auf die Strompreise haben die Ministerialbeamten klar benannt. Zum einen würden ohne Kernkraftwerke die Kosten der Netzstabilisierung „stark ansteigen“. Zum anderen:
„Da sich die Kernenergie mit sehr geringen variablen Kosten am unteren Ende der Merit-Order einordnet, verdrängt ihr Einsatz teurere Grenzkraftwerke aus der Merit-Order. Da die Residuallast vor allem in den Monaten Januar und Februar besonders hoch ist, ist zu erwarten, dass die Kernenergie häufig Gaskraftwerke verdrängt. Dadurch könnten die Strompreise in vielen Stunden sinken.“
Das Merit-Order-Prinzip der Strombörse besagt, dass das teuerste noch benötigte Kraftwerk den Preis setzt. Und da die deutschen Kernkraftwerke nicht nur zuverlässig, sondern auch günstig Strom produzieren, schieben sie die teuersten Kraftwerke quasi aus dem Marktgeschehen heraus. Auf diesen Zusammenhang machten auch prominente Ökonomen [u.a. Hans Werner Sinn] immer wieder aufmerksam, während der Wirtschaftsminister und andere Spitzen-Grüne bis in den Sommer hinein behaupteten, wir hätten kein Stromproblem, sondern ein Gasproblem.
src: click
Grüße an Alpbach bitte!
Und der Standard schreibt dann noch schnell die deutschen Grünen sauber:
Habeck-Mitarbeiter sollen Bedenken zu Atomausstieg laut Bericht ignoriert haben
Dokumente erwecken den Eindruck, dass Expertenbewertungen zum Weiterbetrieb der AKW bewusst negiert wurden. Das Wirtschaftsministerium dementiert. Die Opposition fordert Aufklärung
src: click
Nein, nein - nicht ignoriert. Gefälscht. Schwarz auf weiss. Und dann noch die Weiterleitung von öffentlichen Gutachten unterbunden. Und den Parteivorsitzenden nicht informiert. Sondern ihn mit falschen Talkingpoints auf die Öffentlichkeit losgelassen.
Nix “ignoriert”.
Aber komm, Journalismus meine Damen und Herren.
Hauptsache nächstes Jahr in Alpbach wenn unsere Standard Kollegen dafür bezahlt werden den Geschäfsführer des Climate-Newswire (eine PR-Agentur) für Alpbach zu interviewen, und ihm dabei so tiefgreifende Fragen zu stellen wie “wie Überzeuge ich am besten meine Familie, können sie mir da Argumente liefern”, gibts wieder Lachsbrötchen.
Der Rest ist den Journalisten in dem Land doch scheissegal.
Gut in Österreich scheitert man schon an ganz anderen Dingen, an einer Verwechslung der Tabellenspalten bei der Wahl des Parteivorsitzenden zum Beispiel, oder an der Bekanntgabe des Käufers des teuersten Auktionsgegenstandes der jemals in Österreich versteigert wurde…
Das Klimt-Auktionshaus bestätigte in der ersten Enttäuschung tatsächlich eine falsche Käuferin.
src: click
Und die Presse schreibt denen dann gleich die Weste sauber, weil die große Enttäuschung dass da nicht mehr rausgschaut hat war ja schuld.
Der Schuldige ward gefunden, es war die Enttäuschung. Weiter investigativ wird nur so ein kleines Blatt in Deutschland - der Rest schaut nicht mal mehr nach…
edit: Gut, werden sie sagen, aber das macht ja nichts. Naja…
Unternehmen verlagern in atemberaubendem Tempo Produktionen aus Deutschland ins Ausland und schließen inländische Werke. In Österreich sollte man das sehr genau analysieren – und Konsequenzen ziehen.
[…]
Allein in der Vorwoche haben mehr als zehn größere Unternehmen Verlagerungen angekündigt. Am Wochenende hat etwa der finnische Stahlhersteller Outokumpu bekannt gegeben, sein deutsches Werk zu schließen und die Produktion nach Finnland zu verlagern. Der US-Konzern 3M beginnt gerade, die deutsche Produktionsstätte seiner Tochter Dyneon dichtzumachen, Michelin, Goodyear und Continental ziehen Reifenproduktionen aus Deutschland ab, Miele verlagert Teile seiner Produktion nach Osteuropa, der Motorsägenhersteller Stihl flüchtet vor Bürokratie und Arbeitskosten in die Schweiz (!), Magna verlegt eine Allradfertigung nach Österreich, der dänische Pumpenhersteller Grundfos baut Pumpen künftig wieder zu Hause statt im südlichen Nachbarland. Bekannte Unternehmen wie Thyssen Krupp, Hella, Kärcher, BASF etc. verlagern ins Ausland und streichen Tausende Arbeitsplätze.
Gut, aber das holen wir mit grünem Wachstum ja wieder rein!
Kein grünes Wirtschaftswunder
So funktioniere eben Strukturwandel, heißt es. Außerdem: Wozu brauche man alte Industrien, die Zukunft gehöre der „grünen“ Produktion. Ein gefährlicher Irrglaube, denn auch da hakt es: Die jüngste Entscheidung des Solarzellenherstellers Meyer Burger, die Produktion aus Sachsen in die USA zu verlegen, die Ankündigung des Windkraftanlagenbetreibers Nordex, Rotorblätter für seine Windmühlen künftig in der Türkei und den USA zu fertigen statt wie jetzt in Norddeutschland, der großflächige Aufbau von Kapazitäten der derzeit in Deutschland produzierenden Wärmepumpenhersteller Vaillant, Viessmann und Bosch in Polen und der Slowakei zeigen deutlich, dass auch das angepeilte „grüne Wirtschaftswunder“ eine Illusion ist. Grüne Wirtschaft folgt eben denselben ökonomischen Gesetzen wie die alte Industrie.
In all den genannten Fällen (und auch in den vielen nicht genannten) geht es um jeweils mehrere Hundert bis mehrere Tausend gut bezahlte Industriearbeitsplätze, die wegfallen.
src: click (Die Presse)