Es gibt aber natürlich auch wieder gute Nachrichten

25. April 2024

Cice­ro hat auf Her­aus­ga­be der Grund­la­gen­do­ku­men­te für den eili­gen deut­schen Atom­aus­stieg geklagt und eine gefälsch­te Daten­ba­sis vorgefunden:

Nicht nur im Wirtschafts-, son­dern auch im Umwelt­mi­nis­te­ri­um wur­den Fach­leu­te aus­ge­bremst. Die obers­ten Atom­auf­se­her des Lan­des arbei­ten dort in der Abtei­lung S „Nuklea­re Sicher­heit, Strah­len­schutz“. Zum Lei­ter die­ser Abtei­lung mach­te die neue Minis­te­rin Stef­fi Lem­ke im Febru­ar 2022 einen ent­schie­de­nen Kern­kraft­geg­ner. Der Fach­ju­rist Ger­rit Nie­haus war frü­her bereits im Umwelt­mi­nis­te­ri­um tätig gewe­sen. Als 2011 die Grü­nen in Baden-Württemberg an die Macht kamen, hol­te ihn der dama­li­ge Lan­des­um­welt­mi­nis­ter in die Atom­auf­sicht nach Stutt­gart. Gut zehn Jah­re spä­ter warb ihn Lem­ke wie­der ab und lock­te ihn zurück nach Berlin.
Aus Sicht der Grü­nen hat sich die­se Per­so­nal ent­schei­dung gelohnt. Denn kaum im Amt, zeig­te Nie­haus, wozu er geholt wur­de: Als Abtei­lungs­lei­ter schrieb er einen Ver­merk der ihm unter­ge­be­nen Fach­leu­te so um, dass er zum poli­tisch vor­ge­ge­be­nen Ziel pass­te. Wer die bei­den Ver­sio­nen neben­ein­an­der­legt, kommt ins Staunen.
Der ers­te Ver­merk ist von zwei Refe­ren­ten und einem Refe­rats­lei­ter gezeich­net und stammt vom 1. März 2022. Unter der Über­schrift „Lauf­zeit­ver­län­ge­rung deut­scher Kern­kraft­wer­ke – Mit der nuklea­ren Sicher­heit ver­träg­li­che Sze­na­ri­en“ wur­de dar­in dar­ge­legt, was aus tech­ni­scher Sicht mög­lich gewe­sen wäre. Die Ver­fas­ser beschrei­ben einen Wei­ter­be­trieb der damals noch lau­fen­den Atom­kraft­wer­ke „über meh­re­re Jah­re“ als „mit der Auf­recht­erhal­tung der nuklea­ren Sicher­heit ver­ein­bar“ und legen dar, wel­che Schrit­te dazu not­wen­dig wären. Bera­ten hat­ten sie sich mit der Gesell­schaft für Anlagen- und Reak­tor­si­cher­heit (GRS), an der auch der Bund betei­ligt ist und die die bes­te Exper­ti­se in die­sen Fra­gen hat.

Die­sen Ver­merk bekam Ger­rit Nie­haus auf den Tisch und muss sehr unzu­frie­den gewe­sen sein. Denn er schrieb ihn kom­plett um. Zunächst ersetz­te er über­all das Wort „Kern­kraft“ durch „Atom­kraft“. Dann mach­te er sich dar­an, die Kern­bot­schaft des Ver­merks in ihr Gegen­teil zu verkehren. 

In der neu­en Ver­si­on vom 3. März – die nicht mehr nament­lich, son­dern nur mit „Abtei­lung S“ gezeich­net ist – fehl­te die Aus­sa­ge, dass eine ech­te Lauf­zeit­ver­län­ge­rung mit neu­en Brenn­stä­ben für meh­re­re Jah­re sicher­heits­tech­nisch mög­lich wäre. Statt­des­sen stand dort ganz oben und fett gedruckt:
„Die Abtei­lung S (Nuklea­re Sicher­heit, Strah­len­schutz) kommt zu dem Ergeb­nis, dass die Ver­län­ge­rung der Lauf­zeit der drei noch lau­fen­den Atom­kraft­wer­ke über den gesetz­lich fest­ge­leg­ten und pla­ne­risch zugrun­de geleg­ten 31.12.2022 hin­aus sicher­heits­tech­nisch nicht ver­tret­bar ist.“
Und ganz am Ende, eben­falls in Fettschrift:
„Eine Lauf­zeit­ver­län­ge­rung ist aus Grün­den der nuklea­ren Sicher­heit abzulehnen.“
Dass die Exper­ten der GRS fach­lich betei­ligt wor­den waren, steht nur in der ers­ten Ver­si­on des Ver­merks. In der zwei­ten fehlt die­ser Hin­weis. Gegen­über Cice­ro erklär­te Geschäfts­füh­rer Uwe Stoll: „Zwi­schen ers­tem und zwei­tem Ver­merk gab es kei­ne Ein­bin­dung der GRS.“ Mehr woll­te er dazu nicht sagen.

src: click

Die selbst­re­dend auch die Last­spit­zen für kon­ven­tio­nel­le Ener­gie­kraft­wer­ke im Jän­ner und im Febru­ar weg­re­di­giert hat:

Nun stellt sich her­aus: Die­se Argu­men­te lagen von Anfang an auf dem Tisch. Gut auf­be­rei­tet von ver­be­am­te­ten Fach­leu­ten, deren Auf­ga­be es ist, das Wohl des gan­zen Lan­des im Blick zu behal­ten, nicht das einer Par­tei. Sie schrie­ben am 3. März 2022:
„Für die Ver­sor­gungs­si­cher­heit beson­ders rele­vant sind win­ter­li­che Hoch­druck­la­gen im Janu­ar und Febru­ar. Dann tre­ten auf­grund nied­ri­ger Tem­pe­ra­tu­ren und einer gerin­gen Wind­strom­erzeu­gung regel­mä­ßig die höchs­ten Resi­du­al­las­ten auf.“
Zur Erklä­rung: Resi­du­al­last ist der Anteil am Strom­be­darf, der nicht durch Wind und Son­ne gedeckt wird.
„Es ist heu­te unklar, ob für den nächs­ten Win­ter aus­rei­chend Erd­gas ein­ge­spei­chert wer­den kann, um einen tage­lan­gen Betrieb von Gas­kraft­wer­ken neben dem Ver­brauch in der Indus­trie und zur Wär­me­ver­sor­gung zu ermög­li­chen. (…) Eine Lauf­zeit­ver­län­ge­rung der Kern­kraft­wer­ke bis zum 31.3. kann hel­fen, die­se Situa­ti­on zu ent­schär­fen. (…) Zudem ist es äußerst risi­ko­reich, die Strom­erzeu­gung aus Erd­gas im nächs­ten Win­ter aus­schließ­lich durch die zusätz­li­che Strom erzeu­gung aus Reser­ven und bereits still­ge­leg­ten Koh­le­kraft­wer­ken zu stützen.“
Auch die posi­ti­ven Aus­wir­kun­gen einer Lauf­zeit­ver­län­ge­rung auf die Strom­prei­se haben die Minis­te­ri­al­be­am­ten klar benannt. Zum einen wür­den ohne Kern­kraft­wer­ke die Kos­ten der Netz­sta­bi­li­sie­rung „stark anstei­gen“. Zum anderen:
„Da sich die Kern­ener­gie mit sehr gerin­gen varia­blen Kos­ten am unte­ren Ende der Merit-Order ein­ord­net, ver­drängt ihr Ein­satz teu­re­re Grenz­kraft­wer­ke aus der Merit-Order. Da die Resi­du­al­last vor allem in den Mona­ten Janu­ar und Febru­ar beson­ders hoch ist, ist zu erwar­ten, dass die Kern­ener­gie häu­fig Gas­kraft­wer­ke ver­drängt. Dadurch könn­ten die Strom­prei­se in vie­len Stun­den sinken.“
Das Merit-Order-Prinzip der Strom­bör­se besagt, dass das teu­ers­te noch benö­tig­te Kraft­werk den Preis setzt. Und da die deut­schen Kern­kraft­wer­ke nicht nur zuver­läs­sig, son­dern auch güns­tig Strom pro­du­zie­ren, schie­ben sie die teu­ers­ten Kraft­wer­ke qua­si aus dem Markt­ge­sche­hen her­aus. Auf die­sen Zusam­men­hang mach­ten auch pro­mi­nen­te Öko­no­men [u.a. Hans Wer­ner Sinn] immer wie­der auf­merk­sam, wäh­rend der Wirt­schafts­mi­nis­ter und ande­re Spitzen-Grüne bis in den Som­mer hin­ein behaup­te­ten, wir hät­ten kein Strom­pro­blem, son­dern ein Gasproblem.

src: click

Grü­ße an Alp­bach bitte!

Das beweg­te Leben des Johan­nes Stangl

Und der Stan­dard schreibt dann noch schnell die deut­schen Grü­nen sauber:

Habeck-Mitarbeiter sol­len Beden­ken zu Atom­aus­stieg laut Bericht igno­riert haben

Doku­men­te erwe­cken den Ein­druck, dass Exper­ten­be­wer­tun­gen zum Wei­ter­be­trieb der AKW bewusst negiert wur­den. Das Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um demen­tiert. Die Oppo­si­ti­on for­dert Aufklärung

src: click

Nein, nein - nicht igno­riert. Gefälscht. Schwarz auf weiss. Und dann noch die Wei­ter­lei­tung von öffent­li­chen Gut­ach­ten unter­bun­den. Und den Par­tei­vor­sit­zen­den nicht infor­miert. Son­dern ihn mit fal­schen Tal­king­points auf die Öffent­lich­keit losgelassen.

Nix “igno­riert”.

Aber komm, Jour­na­lis­mus mei­ne Damen und Herren.

Haupt­sa­che nächs­tes Jahr in Alp­bach wenn unse­re Stan­dard Kol­le­gen dafür bezahlt wer­den den Geschäfs­füh­rer des Climate-Newswire (eine PR-Agentur) für Alp­bach zu inter­view­en, und ihm dabei so tief­grei­fen­de Fra­gen zu stel­len wie “wie Über­zeu­ge ich am bes­ten mei­ne Fami­lie, kön­nen sie mir da Argu­men­te lie­fern”, gibts wie­der Lachsbrötchen.

Der Rest ist den Jour­na­lis­ten in dem Land doch scheissegal.

Gut in Öster­reich schei­tert man schon an ganz ande­ren Din­gen, an einer Ver­wechs­lung der Tabel­len­spal­ten bei der Wahl des Par­tei­vor­sit­zen­den zum Bei­spiel, oder an der Bekannt­ga­be des Käu­fers des teu­ers­ten Auk­ti­ons­ge­gen­stan­des der jemals in Öster­reich ver­stei­gert wurde…

Das Klimt-Auktionshaus bestä­tig­te in der ers­ten Ent­täu­schung tat­säch­lich eine fal­sche Käuferin.

src: click

Und die Pres­se schreibt denen dann gleich die Wes­te sau­ber, weil die gro­ße Ent­täu­schung dass da nicht mehr rausg­schaut hat war ja schuld.

Der Schul­di­ge ward gefun­den, es war die Ent­täu­schung. Wei­ter inves­ti­ga­tiv wird nur so ein klei­nes Blatt in Deutsch­land - der Rest schaut nicht mal mehr nach…

edit: Gut, wer­den sie sagen, aber das macht ja nichts. Naja…

Unter­neh­men ver­la­gern in atem­be­rau­ben­dem Tem­po Pro­duk­tio­nen aus Deutsch­land ins Aus­land und schlie­ßen inlän­di­sche Wer­ke. In Öster­reich soll­te man das sehr genau ana­ly­sie­ren – und Kon­se­quen­zen ziehen.

[…]

Allein in der Vor­wo­che haben mehr als zehn grö­ße­re Unter­neh­men Ver­la­ge­run­gen ange­kün­digt. Am Wochen­en­de hat etwa der fin­ni­sche Stahl­her­stel­ler Outo­kum­pu bekannt gege­ben, sein deut­sches Werk zu schlie­ßen und die Pro­duk­ti­on nach Finn­land zu ver­la­gern. Der US-Konzern 3M beginnt gera­de, die deut­sche Pro­duk­ti­ons­stät­te sei­ner Toch­ter Dyne­on dicht­zu­ma­chen, Miche­lin, Goo­dye­ar und Con­ti­nen­tal zie­hen Rei­fen­pro­duk­tio­nen aus Deutsch­land ab, Mie­le ver­la­gert Tei­le sei­ner Pro­duk­ti­on nach Ost­eu­ro­pa, der Motor­sä­gen­her­stel­ler Stihl flüch­tet vor Büro­kra­tie und Arbeits­kos­ten in die Schweiz (!), Magna ver­legt eine All­rad­fer­ti­gung nach Öster­reich, der däni­sche Pum­pen­her­stel­ler Grund­fos baut Pum­pen künf­tig wie­der zu Hau­se statt im süd­li­chen Nach­bar­land. Bekann­te Unter­neh­men wie Thys­sen Krupp, Hel­la, Kärcher, BASF etc. ver­la­gern ins Aus­land und strei­chen Tau­sen­de Arbeitsplätze. 

Gut, aber das holen wir mit grü­nem Wachs­tum ja wie­der rein!

Kein grü­nes Wirtschaftswunder

So funk­tio­nie­re eben Struk­tur­wan­del, heißt es. Außer­dem: Wozu brau­che man alte Indus­trien, die Zukunft gehö­re der „grü­nen“ Pro­duk­ti­on. Ein gefähr­li­cher Irr­glau­be, denn auch da hakt es: Die jüngs­te Ent­schei­dung des Solar­zel­len­her­stel­lers Mey­er Bur­ger, die Pro­duk­ti­on aus Sach­sen in die USA zu ver­le­gen, die Ankün­di­gung des Wind­kraft­an­la­gen­be­trei­bers Nordex, Rotor­blät­ter für sei­ne Wind­müh­len künf­tig in der Tür­kei und den USA zu fer­ti­gen statt wie jetzt in Nord­deutsch­land, der groß­flä­chi­ge Auf­bau von Kapa­zi­tä­ten der der­zeit in Deutsch­land pro­du­zie­ren­den Wär­me­pum­pen­her­stel­ler Vail­lant, Viess­mann und Bosch in Polen und der Slo­wa­kei zei­gen deut­lich, dass auch das ange­peil­te „grü­ne Wirt­schafts­wun­der“ eine Illu­si­on ist. Grü­ne Wirt­schaft folgt eben den­sel­ben öko­no­mi­schen Geset­zen wie die alte Industrie.

In all den genann­ten Fäl­len (und auch in den vie­len nicht genann­ten) geht es um jeweils meh­re­re Hun­dert bis meh­re­re Tau­send gut bezahl­te Indus­trie­ar­beits­plät­ze, die wegfallen.

src: click (Die Presse)









Hinterlasse eine Antwort