Sternstunden des österreichischen Journalismus

10. September 2024

Der Stan­dard, wer sonst.

Alte Grundlage

Doch wie weit war wirk­lich schon ein Frie­dens­ver­trag aus­ge­han­delt? Zu 75 Pro­zent, so beur­teil­te es spä­ter der rus­si­sche Chef­un­ter­händ­ler Wla­di­mir Medi­n­ski. “Es gab kei­ne Eini­gun­gen, und wir haben kei­ne Punk­te erreicht, wo wir einer Eini­gung nahe­ka­men”, sagt hin­ge­gen der ukrai­ni­sche Prä­si­den­ten­be­ra­ter Mycha­j­lo Podol­jak. Und: Para­phiert, also von den Prä­si­den­ten unter­schrie­ben, war das Doku­ment nicht.

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Ich mei­ne, komm, wo soll­te der Jour­na­lis­mus nach­prü­fen, wenn er doch viel bes­ser brab­beln und Halb­wahr­hei­ten ver­brei­ten kann?

Die bis­he­ri­gen Leaks stam­men aus rus­si­schen oder nicht nach­voll­zieh­ba­ren Quel­len. Eine davon ist der pri­va­te Nach­rich­ten­dienst von Fari­da Rusta­mo­wa, einer frei­en, aus Aser­bai­dschan stam­men­den rus­si­schen Jour­na­lis­tin, die am 29. März einen rus­si­schen Text ver­öf­fent­lich­te, den sie angeb­lich aus Ver­hand­lungs­krei­sen bekom­men hat­te und der seit­her in eng­li­scher Über­set­zung um die Welt geht – als der Inhalt jenes Frie­dens­plans, der da angeb­lich aus­ge­han­delt und dann von John­son so erfolg­reich tor­pe­diert wur­de. Er umfasst zehn Punk­te und man fin­det ihn auf Deutsch bei von der Schu­len­burg, Emma und sogar in einem SWP-Bericht. Es gibt damit aber eini­ge Pro­ble­me: Auch die Finan­cial Times behaup­tet, Ein­blick in die­sen Plan gehabt zu haben, aller­dings hat­te ihre Ver­si­on 15 Punk­te. Und als Putin letz­tes Jahr vor Rama­pho­sas afri­ka­ni­scher Dele­ga­ti­on damit her­um­we­del­te, sprach er sogar von 18 Punk­ten, die noch dazu von den Mit­glie­dern der ukrai­ni­schen Dele­ga­ti­on damals „para­phiert“ (so sagt er auf Rus­sisch) wor­den sein sol­len. Das ist wich­tig, denn Ver­trä­ge wer­den unter­schrie­ben (mit vol­ler Unter­schrift). Para­phiert wer­den in der Regel ein­zel­ne Sei­ten, um zu ver­hin­dern, dass jemand nach­träg­lich Sei­ten ein­fügt, die nicht aus­ver­han­delt wur­den – was Putin im glei­chen Atem­zug der ukrai­ni­schen Sei­te vor­warf. Weder Rusta­mo­wa, noch von der Schu­len­burg, der sie zitiert, behaup­ten, das Papier sei unter­zeich­net wor­den. Selbst die rus­si­sche Nach­rich­ten­agen­tur Tass behaup­tet nur, die Ukrai­ner sei­en „bereit gewe­sen, es zu unter­zeich­nen“. Trotz­dem kur­siert die Mär vom unter­zeich­ne­ten Frie­dens­ver­trag seit­her im Inter­net. Das alles muss über­haupt nicht hei­ßen, dass es einen sol­chen Text gar nicht gege­ben hat oder eini­ge oder alle ver­brei­te­ten Ver­sio­nen gefälscht sind. Es gibt eine Men­ge ande­rer mög­li­cher Inter­pre­ta­tio­nen: dass unter­schied­li­che Ver­sio­nen zu unter­schied­li­chen Zeit­punk­ten gele­akt wur­den und der Ent­wurf zunächst weni­ger Punk­te hat­te als zu dem Moment, als er para­phiert wur­de (wenn er es wur­de), dass eini­ge Ver­sio­nen auf­ge­setzt, aber dann von bei­den Sei­ten ver­wor­fen (aber von einer Sei­te dann gele­akt) wur­den. Wesent­li­che Tei­le des Inhalts wur­den anschlie­ßend von Teil­neh­mern bei­der Dele­ga­tio­nen in Inter­views bestä­tigt. Betrach­tet man die, wird es erst so rich­tig interessant. […]
src: click (Ber­li­ner Zei­tung -- mit einem Titel der die Kol­le­gen vom ARD Fack­ten­che­cker auf­macht: Frie­dens­ver­trag für die Ukrai­ne: War­um auch die ARD-Faktenchecker Unrecht haben)
Remar­kab­ly, howe­ver, the two sides con­ti­nued to work around the clock on a trea­ty that Putin and Zelen­sky were sup­po­sed to sign during a sum­mit to be held in the not-too-distant future. The sides were actively exch­an­ging drafts with each other and, it appears, begin­ning to share them with other par­ties. (In his Febru­a­ry 2023 inter­view, Ben­nett repor­ted see­ing 17 or 18 working drafts of the agree­ment; Lukas­hen­ko also repor­ted see­ing at least one.) We have clo­se­ly scru­ti­ni­zed two of the­se drafts, one that is dated April 12 and ano­t­her dated April 15, which par­ti­ci­pants in the talks told us was the last one exch­an­ged bet­ween the par­ties. They are broad­ly simi­lar but con­tain important differences—and both show that the com­mu­ni­qué had not resol­ved some key issu­es. […] In the end, it remains unclear whe­ther the­se pro­vi­si­ons would have been a deal-breaker. The lead Ukrai­ni­an nego­tia­tor, Arak­ha­mia, later down­play­ed their impor­t­ance. As he put it in a Novem­ber 2023 inter­view on a Ukrai­ni­an tele­vi­si­on news pro­gram, Rus­sia had “hoped until the last moment that they [could] squee­ze us to sign such an agree­ment, that we [would] adopt neu­tra­li­ty. This was the big­gest thing for them. They were rea­dy to finish the war if we, like Fin­land [during the Cold War], adop­ted neu­tra­li­ty and under­took not to join NATO.” […] Des­pi­te the­se sub­stan­ti­al dis­agree­ments, the April 15 draft sug­gests that the trea­ty would be signed wit­hin two weeks. Gran­ted, that date might have shifted, but it shows that the two teams plan­ned to move fast. “We were very clo­se in mid-April 2022 to fina­li­zing the war with a peace sett­le­ment,” one of the Ukrai­ni­an nego­tia­tors, Olek­san­dr Cha­lyi, recoun­ted at a public appearan­ce in Decem­ber 2023. “[A] week after Putin star­ted his aggres­si­on, he con­clu­ded he had made a huge mista­ke and tried to do ever­ything pos­si­ble to con­clu­de an agree­ment with Ukrai­ne.” […] In the 2023 inter­view, Arak­ha­mia ruf­fled some fea­thers by see­ming to hold John­son respon­si­ble for the out­co­me. “When we retur­ned from Istan­bul,” he said, “Boris John­son came to Kyiv and said that we won’t sign anything at all with [the Russians]—and let’s just keep figh­t­ing.” Sin­ce then, Putin has repeated­ly used Arakhamia’s remarks to bla­me the West for the col­lap­se of the talks and demons­tra­te Ukraine’s sub­or­di­na­ti­on to its sup­por­ters. Not­with­stan­ding Putin’s mani­pu­la­ti­ve spin, Arak­ha­mia was poin­ting to a real pro­blem: the com­mu­ni­qué descri­bed a mul­ti­la­te­ral frame­work that would requi­re Wes­tern wil­ling­ness to enga­ge diplo­ma­ti­cal­ly with Rus­sia and con­si­der a genui­ne secu­ri­ty gua­ran­tee for Ukrai­ne. Neit­her was a prio­ri­ty for the United Sta­tes and its allies at the time.
src: click (For­eign Affairs) 

Und jetzt noch Putin dazu:
Tucker Carl­son: Sie sagen, Sie wol­len eine Ver­hand­lungs­lö­sung für die Gescheh­nis­se in der Ukrai­ne. Putin: Wir hat­ten in Istan­bul [im März 2022] ein gros­ses Doku­ment unter­brei­tet, das der Lei­ter der ukrai­ni­schen Dele­ga­ti­on para­phiert hat. Er hat sei­ne Unter­schrift auf eini­ge der Bestim­mun­gen gesetzt, nicht auf alle. Dann hat er selbst gesagt: «Wir waren bereit, die­ses Doku­ment zu unter­zeich­nen, aber Mr. John­son, der dama­li­ge Pre­mier­mi­nis­ter Gross­bri­tan­ni­ens, riet uns davon ab. Es sei bes­ser, gegen Russ­land zu kämp­fen. Sie wür­den uns alle Mit­tel dazu geben, um das zurück­zu­ho­len, was wir wäh­rend der Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit Russ­land ver­lo­ren hät­ten.» Der Lei­ter der Ver­hand­lungs­grup­pe, [Dawyd] Arach­a­mi­ja, ist immer noch Vor­sit­zen­der der Frak­ti­on der Regie­rungs­par­tei, der Par­tei des Prä­si­den­ten in der Rada. Er hat­te sei­ne vor­läu­fi­ge Unter­schrift unter das Doku­ment gesetzt, das ich erwähnte.
src: click (böse Sei­te, nicht zitier­wür­dig, Vor­sicht. Aber das Inter­view schau ich mir jetzt nicht noch­mal an..) 

Viel­leicht Putin hier (DW)?

Putin: “It’s not us but the lea­ders­hip of Ukrai­ne has announ­ced that they will not con­duct any nego­tia­ti­ons, moreo­ver the cur­rent pre­si­dent of Ukrai­ne signed a cor­re­spon­ding decree pro­hi­bi­t­ing the­se nego­tia­ti­ons, the­re­fo­re I under­stand your con­cern I share it and of cour­se we are rea­dy to con­si­der any of your proposals, …

Die­ser Ver­damm­te Rus­se schon wie­der, behaup­tet schon wie­der die Ver­trä­ge wären von den bei­den Prä­si­den­ten para­phiert gewe­sen! Ach­so ja, behaup­tet der ja gar­nicht… Shit, Fuck, der Stan­dard mal wie­der - beim Erfin­den sei­ner Par­al­lel­rea­li­tät. Naja, so ein over­spe­ci­fic non deni­al deni­al im Stan­dard ist aber auch ganz was schö­nes. Ein­fach immer schön gra­de­aus, an der Rea­li­tät vor­bei. So infor­mie­ren wir die Öster­rei­cher. Die­se Gesell­schaft ist das abso­lut gro­tesk und abar­tigst Allerletzte.








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