Man kann ihr nur ein Fünftel der Geschichte erzählen.
MEDIEN-MONITORING
Österreichs Medientransparenz im europäischen Spitzenfeld
Pilotprojekt “Euromedia Ownership Monitor” versammelt Eigentumsverhältnisse und Medienrecht in 27 EU-Ländern
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- rühmt sich heute der Standard über die Bande.
Was man anstatt dessen lieber nicht erzählt ist, wie es dazu kommt, dass in Österreich lieber ALLE Qualitätsmedien, vorausschauend den Standpunkt “Die Ukraine muss gewinnen, weil verlieren keine Option ist” eingenommen haben. Entgegen der Meinung von mehr als der Hälfte der österreichischen Bevölkerung. Wenn man gewinnen wie die Ukraine definiert.
Was wir ja weiterhin alle tun müssen.
Die NZZ am Sonntag beleuchtet heute die diesbezüglichen Hintergründe in der Schweiz.
Der Bund hadert mit Selenski und dem Krieg
Der Geheimdienst kritisiert die Regierung in Kiew scharf. Und der Bundesrat sorgt sich ums eigene Image. Aus dem Innenleben der diffusen Schweizer Neutralitätspolitik.
Simon Marti
08.07.2023, 21.45 Uhr 5 min
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Hat laut Nachrichtendienst «autoritäre Züge»: Wolodimir Selenski spricht zu Unterstützern auf dem Berner Bundesplatz (19. März 2022)
Fabrice Coffrini / AFPSelten trat ein Bundespräsident so emotional auf. «Mr. President, dear Wolodimir, do you hear me?», rief Aussenminister Ignazio Cassis dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski zu. «Take care, my friend», schob der Bundesrat via Twitter nach. Im März des vergangenen Jahres war das, kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs, als sich Selenski auf den Berner Bundesplatz zuschaltete.
Auf der Bühne mit Selenski, in Kiew bei Selenski: Viele Politiker aus ganz Europa haben seither den öffentlichen Auftritt an der Seite des Staatschefs gesucht, der längst zum Freiheitskämpfer avanciert ist.
Mittlerweile ist der Ukraine-Krieg für Berns PR-Strategen aber ein Grund zur Besorgnis, wie aus internen Dokumenten hervorgeht.
Am Morgen des 9. März 2023 kommt eine Reihe von Spitzenbeamten in der «Sala Francesca Pometta» im Aussendepartement (EDA) zusammen. Sie bilden eine «interdepartementale Koordinationsgruppe», in der die Fäden der Schweizer Ukraine-Politik zusammenlaufen. Hier werden die schwierigen Fragen vorbesprochen, bevor sie ins Bundesratszimmer weitergereicht werden.
In diesem Moment beschäftigt die Experten der Ruf des Landes, ein heikles Thema. Darum haben sie Vertreter von «Präsenz Schweiz», die Marketingspezialisten des Bundes, eingeladen.
Die bundeseigenen PR-Profis machen deutlich: Weltweit geniesse die Schweiz zwar eine hohe Reputation. Doch: «In Europa sieht es anders aus. Die Werte sinken», sagen sie. Man müsse entscheiden, ob es verstärkte Massnahmen zur Stützung des Images der Schweiz brauche. Tatsächlich hatten in den Tagen davor europäische Diplomaten dem Bundesrat klargemacht, was sie von der restriktiven Haltung Berns bei der Weitergabe von Waffen ins Kriegsgebiet halten: gar nichts.
Das Aussendepartement kläre ab, wie die «Ukraine-Missionen» des Bundes besser vermittelt werden könnten, vermerkt das Sitzungsprotokoll, welches die «NZZ am Sonntag» gestützt auf das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ) einsehen konnte.
Ob die in Aussicht gestellten PR-Massnahmen inzwischen angelaufen sind, lässt das Aussendepartement auf Anfrage offen. «Die Arbeit im Bereich Public Diplomacy ist eine ständige Aufgabe», richtet ein Sprecher aus. Sie passe sich dem jeweiligen Kontext an.
Doch selbst die raffinierteste PR-Kampagne kann nicht über die konfuse Ukraine-Politik hinwegtäuschen. Die offizielle Schweiz ringt auch 16 Monate nach Kriegsausbruch um ihre Haltung. So ist es dem Bundesrat bis heute nicht gelungen, die Schweizer Neutralitätspolitik den neuen Realitäten anzupassen oder seine Position zumindest schlüssig zu erklären. Bern ist weit davon entfernt, seinen Freund Selenski vorbehaltlos zu unterstützen.
Wie sich nun zeigt, ist nicht nur der Bundesrat in diesen Fragen gespalten. Auch in der Verwaltung gehen die Positionen auseinander. Während vordergründig Selenski gerühmt wird, werden im Hintergrund Stimmen laut, die den ukrainischen Präsidenten um einiges kritischer sehen, als die offiziellen Verlautbarungen vermuten lassen. Das macht die Lage umso verzwickter.
Deutlich wurde dies vor einer Woche. Im Nachgang des Putschversuches der Wagner-Söldner verfasste der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) eine vertrauliche Lagebeurteilung. Sie liegt dieser Zeitung vor. Das Papier widmet sich nicht nur dem Zustand des russischen Regimes und den möglichen Folgen der Rebellion. Im Bericht zeigt sich der NDB auch besorgt über die innenpolitische Entwicklung in der Ukraine.
NDB warnt vor autoritären Tendenzen
Dort stehen 2024 Präsidentschaftswahlen an. Der Nachrichtendienst blickt dem Urnengang pessimistisch entgegen, sieht das Land gar an einem «kritischen Punkt» hinsichtlich freier Wahlen. «Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski versucht für die Präsidentschaftswahl 2024 seinen grössten Rivalen, den Bürgermeister Kiews Witali Klitschko, auszuschalten», heisst es im Bericht, der auf «glaubwürdigen nachrichtendienstlichen Hinweisen» fusst.
Und weiter: «Mit seinem Versuch, Klitschko politisch auszuschalten, zeigt Selenski autoritäre Züge.» Das dürfte die Beziehungen zu seinen Unterstützern belasten. «Sehr wahrscheinlich werden die westlichen Staaten diesbezüglich Druck auf den Präsidenten und sein Umfeld ausüben», folgert der NDB.
Nicht nur die Wortwahl des NDB ist deutlich, auch der Zeitpunkt, an dem der vertrauliche Lagebericht entstand, ist alles andere als unproblematisch. Einen Tag nachdem das Papier durch die Verwaltung zirkuliert war, beriet der Bundesrat über den Verkauf von Leopard-1-Panzern, die via Deutschland in die Ukraine geschickt werden sollten. Die Regierung lehnte ab, dem Vernehmen nach gegen den Willen von Verteidigungsministerin Viola Amherd. Der Selenski-kritische NDB aber ist ausgerechnet in ihrem Departement angesiedelt.
Nicht alle Experten teilen die dezidiert kritische Haltung des Nachrichtendienstes vollumfänglich. Ulrich Schmid, Professor für Osteuropastudien an der Universität St. Gallen, sagt, dass sich Selenski um seine Wiederwahl eigentlich keine Sorgen machen müsse. «Seit seinem mutigen Entscheid, Kiew angesichts des russischen Angriffs nicht zu verlassen, geniesst er viel Kredit in der Bevölkerung. Und er erfüllt seine Funktion als oberster Repräsentant seines Landes, der im Ausland um Unterstützung wirbt, sehr gut.»
Dennoch sieht Schmid die Probleme in der Ukraine durchaus. «Welches sind die Voraussetzungen einer funktionierenden Demokratie?», fragt er. «Unabhängige Parteien und eine freie Presse. Beides ist in der Ukraine zurzeit nicht gegeben.» Nach dem russischen Angriff hätten sich die Parteien in einer Art Burgfrieden zusammengeschlossen und das staatliche Einheitsfernsehen sei in Kriegszeiten nicht die Plattform für eine unabhängige Meinungsbildung. Aber: «Diese Entwicklung erstaunt nicht, Kriege stärken die Exekutive», so Schmid.
Welche Schlüsse der Bundesrat aus den Erkenntnissen des NDB zieht, bleibt offen. Unklar ist auch, ob die Schweiz die Kritik in irgendeiner Form äussert. Weder das Aussen- noch das Verteidigungsdepartement will sich zum vertraulichen Bericht äussern.
Anders das Parlament. Drei Wochen ist es her, da wandte sich Selenski direkt an die eidgenössischen Räte und hinterliess bei vielen einen tiefen Eindruck. Was nicht heisst, dass sie keine Bedenken hätten.
«Es gibt gute Gründe für Kritik an Selenskis Innenpolitik, gerade aus linker Sicht», sagt SP-Co-Präsident Cédric Wermuth, einer der vehementesten Unterstützer Kiews. «Unsere Solidarität gilt aber auch nicht ihm als Person oder einer politischen Partei, sondern sie gilt dem ukrainischen Volk, das angegriffen wird.»
Bloss löse der Bund die Solidarität, die er der Ukraine zusichere, höchstens teilweise ein, kritisiert Wermuth. «Wir müssen endlich mehr machen: die Oligarchenvermögen einfrieren, die Weitergabe von Waffen nicht länger blockieren und uns beim Wiederaufbau stärker engagieren.»
Lukas Reimann, Nationalrat der SVP, bereiste die Ukraine vor Kriegsausbruch und hat den letzten Wahlkampf vor Ort erlebt. «Man darf Selenski nicht von der Kritik ausnehmen», sagt der St. Galler. Auch für die SVP sei unbestritten, dass sich die Ukraine verteidigen müsse. Die Frage sei, welche Rolle der Schweiz dabei zukomme. «Eine wirkliche Strategie des Bundesrats ist da aus meiner Sicht nicht zu erkennen.»
Deutliche Worte findet der freisinnige Fraktionschef Damien Cottier. Der Neuenburger kennt die Lage im kriegsversehrten Land. 2022 leitete er eine Delegation des Europarates, die russische Kriegsverbrechen dokumentierte.
«Es gibt Tendenzen in der Ukraine, die problematisch sind», betont Cottier. «Es ist wichtig, dass der Regierung in Kiew deutlich gemacht wird, dass, sobald der Krieg vorbei ist, sofort freie und faire Wahlen durchgeführt werden müssen.» Diese Diskussion habe im Europarat bereits angefangen.
Unterstützung und Kritik schlössen sich nicht aus, sagt der Parlamentarier. «Ich bin der Überzeugung, dass man diese Punkte ansprechen muss, und bin mir sicher, dass die Schweizer Diplomatie dies auch tut.»
Unter Freunden müsste dies eigentlich möglich sein.
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NEIN! Aber soetwas kann man dem seine Neutralität schätzenden österreichischen Bürger natürlich nicht zumuten.
Wie wäre es anstattdessen mit einem “es ist wichtig und gut, dass der Westen in der Frage Streumunition nicht mehr einer Meinung ist, weil die eh die US liefern, also ists ja wurscht - weil wir sind eh immer noch einer Meinung” - also so mehr als Vasalle nehm ich an? Natürlich, vom Deutschlandfunk jederzeit gerne.
Die Geschlossenheit des Westens ist so wichtig! Bis zu dem Punkt wo es so wichtig ist, nicht geschlossen zu sein, und anstattdessen besser die Augen zu zu machen…
Wo steht eigentlich die Schweiz mit diesen Message control und PR Praktiken, im Vergleich zu Österreich im aktuellen Reporters without borders Press Freedom Index ranking?
OH! Schweiz Platz 12, Österreich Platz 29.
Ich hoffe der Standard lässt sich heute noch eine Torte mit Sprühkerzen kommen. Wieder wo ein Spitzenplatz! Bei der Transparenz nämlich. Nicht beim Reporting. Aber, naja - immerhin!
Die NZZ bringt dann halt einfach am selben Tag Journalismus wie sie ihn in Österreich niemals lesen werden.
Aber, naja - immerhin.
Diese Gesellschaft ist das absolut abgrundtief, grotesk Allerletzte.