Wie kann man die Bevölkerung noch belügen?

09. Juli 2023

Man kann ihr nur ein Fünf­tel der Geschich­te erzählen.

MEDIEN-MONITORING

Öster­reichs Medi­en­trans­pa­renz im euro­päi­schen Spitzenfeld

Pilot­pro­jekt “Euro­me­dia Owners­hip Moni­tor” ver­sam­melt Eigen­tums­ver­hält­nis­se und Medi­en­recht in 27 EU-Ländern

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- rühmt sich heu­te der Stan­dard über die Bande.

Was man anstatt des­sen lie­ber nicht erzählt ist, wie es dazu kommt, dass in Öster­reich lie­ber ALLE Qua­li­täts­me­di­en, vor­aus­schau­end den Stand­punkt “Die Ukrai­ne muss gewin­nen, weil ver­lie­ren kei­ne Opti­on ist” ein­ge­nom­men haben. Ent­ge­gen der Mei­nung von mehr als der Hälf­te der öster­rei­chi­schen Bevöl­ke­rung. Wenn man gewin­nen wie die Ukrai­ne definiert.

Was wir ja wei­ter­hin alle tun müssen.

Die NZZ am Sonn­tag beleuch­tet heu­te die dies­be­züg­li­chen Hin­ter­grün­de in der Schweiz.

Der Bund hadert mit Selen­ski und dem Krieg

Der Geheim­dienst kri­ti­siert die Regie­rung in Kiew scharf. Und der Bun­des­rat sorgt sich ums eige­ne Image. Aus dem Innen­le­ben der dif­fu­sen Schwei­zer Neutralitätspolitik.

Simon Mar­ti

08.07.2023, 21.45 Uhr 5 min

[Arti­kel­bild]
Hat laut Nach­rich­ten­dienst «auto­ri­tä­re Züge»: Wolo­di­mir Selen­ski spricht zu Unter­stüt­zern auf dem Ber­ner Bun­des­platz (19. März 2022)
Fab­ri­ce Cof­f­ri­ni / AFP

Sel­ten trat ein Bun­des­prä­si­dent so emo­tio­nal auf. «Mr. Pre­si­dent, dear Wolo­di­mir, do you hear me?», rief Aus­sen­mi­nis­ter Igna­zio Cas­sis dem ukrai­ni­schen Prä­si­den­ten Wolo­di­mir Selen­ski zu. «Take care, my friend», schob der Bun­des­rat via Twit­ter nach. Im März des ver­gan­ge­nen Jah­res war das, kurz nach Beginn des rus­si­schen Angriffs­kriegs, als sich Selen­ski auf den Ber­ner Bun­des­platz zuschaltete.
Auf der Büh­ne mit Selen­ski, in Kiew bei Selen­ski: Vie­le Poli­ti­ker aus ganz Euro­pa haben seit­her den öffent­li­chen Auf­tritt an der Sei­te des Staats­chefs gesucht, der längst zum Frei­heits­kämp­fer avan­ciert ist.
Mitt­ler­wei­le ist der Ukraine-Krieg für Berns PR-Strategen aber ein Grund zur Besorg­nis, wie aus inter­nen Doku­men­ten hervorgeht.
Am Mor­gen des 9. März 2023 kommt eine Rei­he von Spit­zen­be­am­ten in der «Sala Fran­ce­s­ca Pomet­ta» im Aus­sen­de­par­te­ment (EDA) zusam­men. Sie bil­den eine «inter­de­par­te­men­ta­le Koor­di­na­ti­ons­grup­pe», in der die Fäden der Schwei­zer Ukraine-Politik zusam­men­lau­fen. Hier wer­den die schwie­ri­gen Fra­gen vor­be­spro­chen, bevor sie ins Bun­des­rats­zim­mer wei­ter­ge­reicht werden.
In die­sem Moment beschäf­tigt die Exper­ten der Ruf des Lan­des, ein heik­les The­ma. Dar­um haben sie Ver­tre­ter von «Prä­senz Schweiz», die Mar­ke­ting­spe­zia­lis­ten des Bun­des, eingeladen.
Die bun­des­ei­ge­nen PR-Profis machen deut­lich: Welt­weit genies­se die Schweiz zwar eine hohe Repu­ta­ti­on. Doch: «In Euro­pa sieht es anders aus. Die Wer­te sin­ken», sagen sie. Man müs­se ent­schei­den, ob es ver­stärk­te Mass­nah­men zur Stüt­zung des Images der Schweiz brau­che. Tat­säch­lich hat­ten in den Tagen davor euro­päi­sche Diplo­ma­ten dem Bun­des­rat klar­ge­macht, was sie von der restrik­ti­ven Hal­tung Berns bei der Wei­ter­ga­be von Waf­fen ins Kriegs­ge­biet hal­ten: gar nichts.
Das Aus­sen­de­par­te­ment klä­re ab, wie die «Ukraine-Missionen» des Bun­des bes­ser ver­mit­telt wer­den könn­ten, ver­merkt das Sit­zungs­pro­to­koll, wel­ches die «NZZ am Sonn­tag» gestützt auf das Bun­des­ge­setz über das Öffent­lich­keits­prin­zip der Ver­wal­tung (BGÖ) ein­se­hen konnte.
Ob die in Aus­sicht gestell­ten PR-Massnahmen inzwi­schen ange­lau­fen sind, lässt das Aus­sen­de­par­te­ment auf Anfra­ge offen. «Die Arbeit im Bereich Public Diplo­ma­cy ist eine stän­di­ge Auf­ga­be», rich­tet ein Spre­cher aus. Sie pas­se sich dem jewei­li­gen Kon­text an.
Doch selbst die raf­fi­nier­tes­te PR-Kampagne kann nicht über die kon­fu­se Ukraine-Politik hin­weg­täu­schen. Die offi­zi­el­le Schweiz ringt auch 16 Mona­te nach Kriegs­aus­bruch um ihre Hal­tung. So ist es dem Bun­des­rat bis heu­te nicht gelun­gen, die Schwei­zer Neu­tra­li­täts­po­li­tik den neu­en Rea­li­tä­ten anzu­pas­sen oder sei­ne Posi­ti­on zumin­dest schlüs­sig zu erklä­ren. Bern ist weit davon ent­fernt, sei­nen Freund Selen­ski vor­be­halt­los zu unterstützen.
Wie sich nun zeigt, ist nicht nur der Bun­des­rat in die­sen Fra­gen gespal­ten. Auch in der Ver­wal­tung gehen die Posi­tio­nen aus­ein­an­der. Wäh­rend vor­der­grün­dig Selen­ski gerühmt wird, wer­den im Hin­ter­grund Stim­men laut, die den ukrai­ni­schen Prä­si­den­ten um eini­ges kri­ti­scher sehen, als die offi­zi­el­len Ver­laut­ba­run­gen ver­mu­ten las­sen. Das macht die Lage umso verzwickter.
Deut­lich wur­de dies vor einer Woche. Im Nach­gang des Putsch­ver­su­ches der Wagner-Söldner ver­fass­te der Nach­rich­ten­dienst des Bun­des (NDB) eine ver­trau­li­che Lage­be­ur­tei­lung. Sie liegt die­ser Zei­tung vor. Das Papier wid­met sich nicht nur dem Zustand des rus­si­schen Regimes und den mög­li­chen Fol­gen der Rebel­li­on. Im Bericht zeigt sich der NDB auch besorgt über die innen­po­li­ti­sche Ent­wick­lung in der Ukraine.
NDB warnt vor auto­ri­tä­ren Tendenzen
Dort ste­hen 2024 Prä­si­dent­schafts­wah­len an. Der Nach­rich­ten­dienst blickt dem Urnen­gang pes­si­mis­tisch ent­ge­gen, sieht das Land gar an einem «kri­ti­schen Punkt» hin­sicht­lich frei­er Wah­len. «Der ukrai­ni­sche Prä­si­dent Wolo­di­mir Selen­ski ver­sucht für die Prä­si­dent­schafts­wahl 2024 sei­nen gröss­ten Riva­len, den Bür­ger­meis­ter Kiews Wita­li Klitsch­ko, aus­zu­schal­ten», heisst es im Bericht, der auf «glaub­wür­di­gen nach­rich­ten­dienst­li­chen Hin­wei­sen» fusst.
Und wei­ter: «Mit sei­nem Ver­such, Klitsch­ko poli­tisch aus­zu­schal­ten, zeigt Selen­ski auto­ri­tä­re Züge.» Das dürf­te die Bezie­hun­gen zu sei­nen Unter­stüt­zern belas­ten. «Sehr wahr­schein­lich wer­den die west­li­chen Staa­ten dies­be­züg­lich Druck auf den Prä­si­den­ten und sein Umfeld aus­üben», fol­gert der NDB.
Nicht nur die Wort­wahl des NDB ist deut­lich, auch der Zeit­punkt, an dem der ver­trau­li­che Lage­be­richt ent­stand, ist alles ande­re als unpro­ble­ma­tisch. Einen Tag nach­dem das Papier durch die Ver­wal­tung zir­ku­liert war, beriet der Bun­des­rat über den Ver­kauf von Leopard-1-Panzern, die via Deutsch­land in die Ukrai­ne geschickt wer­den soll­ten. Die Regie­rung lehn­te ab, dem Ver­neh­men nach gegen den Wil­len von Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin Vio­la Amherd. Der Selenski-kritische NDB aber ist aus­ge­rech­net in ihrem Depar­te­ment angesiedelt.
Nicht alle Exper­ten tei­len die dezi­diert kri­ti­sche Hal­tung des Nach­rich­ten­diens­tes voll­um­fäng­lich. Ulrich Schmid, Pro­fes­sor für Ost­eu­ro­pa­stu­di­en an der Uni­ver­si­tät St. Gal­len, sagt, dass sich Selen­ski um sei­ne Wie­der­wahl eigent­lich kei­ne Sor­gen machen müs­se. «Seit sei­nem muti­gen Ent­scheid, Kiew ange­sichts des rus­si­schen Angriffs nicht zu ver­las­sen, geniesst er viel Kre­dit in der Bevöl­ke­rung. Und er erfüllt sei­ne Funk­ti­on als obers­ter Reprä­sen­tant sei­nes Lan­des, der im Aus­land um Unter­stüt­zung wirbt, sehr gut.»
Den­noch sieht Schmid die Pro­ble­me in der Ukrai­ne durch­aus. «Wel­ches sind die Vor­aus­set­zun­gen einer funk­tio­nie­ren­den Demo­kra­tie?», fragt er. «Unab­hän­gi­ge Par­tei­en und eine freie Pres­se. Bei­des ist in der Ukrai­ne zur­zeit nicht gege­ben.» Nach dem rus­si­schen Angriff hät­ten sich die Par­tei­en in einer Art Burg­frie­den zusam­men­ge­schlos­sen und das staat­li­che Ein­heits­fern­se­hen sei in Kriegs­zei­ten nicht die Platt­form für eine unab­hän­gi­ge Mei­nungs­bil­dung. Aber: «Die­se Ent­wick­lung erstaunt nicht, Krie­ge stär­ken die Exe­ku­ti­ve», so Schmid.
Wel­che Schlüs­se der Bun­des­rat aus den Erkennt­nis­sen des NDB zieht, bleibt offen. Unklar ist auch, ob die Schweiz die Kri­tik in irgend­ei­ner Form äus­sert. Weder das Aussen- noch das Ver­tei­di­gungs­de­par­te­ment will sich zum ver­trau­li­chen Bericht äussern.
Anders das Par­la­ment. Drei Wochen ist es her, da wand­te sich Selen­ski direkt an die eid­ge­nös­si­schen Räte und hin­ter­liess bei vie­len einen tie­fen Ein­druck. Was nicht heisst, dass sie kei­ne Beden­ken hätten.
«Es gibt gute Grün­de für Kri­tik an Selenskis Innen­po­li­tik, gera­de aus lin­ker Sicht», sagt SP-Co-Präsident Céd­ric Wer­muth, einer der vehe­men­tes­ten Unter­stüt­zer Kiews. «Unse­re Soli­da­ri­tät gilt aber auch nicht ihm als Per­son oder einer poli­ti­schen Par­tei, son­dern sie gilt dem ukrai­ni­schen Volk, das ange­grif­fen wird.»
Bloss löse der Bund die Soli­da­ri­tät, die er der Ukrai­ne zusi­che­re, höchs­tens teil­wei­se ein, kri­ti­siert Wer­muth. «Wir müs­sen end­lich mehr machen: die Olig­ar­chen­ver­mö­gen ein­frie­ren, die Wei­ter­ga­be von Waf­fen nicht län­ger blo­ckie­ren und uns beim Wie­der­auf­bau stär­ker engagieren.»
Lukas Rei­mann, Natio­nal­rat der SVP, bereis­te die Ukrai­ne vor Kriegs­aus­bruch und hat den letz­ten Wahl­kampf vor Ort erlebt. «Man darf Selen­ski nicht von der Kri­tik aus­neh­men», sagt der St. Gal­ler. Auch für die SVP sei unbe­strit­ten, dass sich die Ukrai­ne ver­tei­di­gen müs­se. Die Fra­ge sei, wel­che Rol­le der Schweiz dabei zukom­me. «Eine wirk­li­che Stra­te­gie des Bun­des­rats ist da aus mei­ner Sicht nicht zu erkennen.»
Deut­li­che Wor­te fin­det der frei­sin­ni­ge Frak­ti­ons­chef Dami­en Cot­tier. Der Neu­en­bur­ger kennt die Lage im kriegs­ver­sehr­ten Land. 2022 lei­te­te er eine Dele­ga­ti­on des Euro­pa­ra­tes, die rus­si­sche Kriegs­ver­bre­chen dokumentierte.
«Es gibt Ten­den­zen in der Ukrai­ne, die pro­ble­ma­tisch sind», betont Cot­tier. «Es ist wich­tig, dass der Regie­rung in Kiew deut­lich gemacht wird, dass, sobald der Krieg vor­bei ist, sofort freie und fai­re Wah­len durch­ge­führt wer­den müs­sen.» Die­se Dis­kus­si­on habe im Euro­pa­rat bereits angefangen.
Unter­stüt­zung und Kri­tik schlös­sen sich nicht aus, sagt der Par­la­men­ta­ri­er. «Ich bin der Über­zeu­gung, dass man die­se Punk­te anspre­chen muss, und bin mir sicher, dass die Schwei­zer Diplo­ma­tie dies auch tut.»
Unter Freun­den müss­te dies eigent­lich mög­lich sein.

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NEIN! Aber soet­was kann man dem sei­ne Neu­tra­li­tät schät­zen­den öster­rei­chi­schen Bür­ger natür­lich nicht zumuten.

Wie wäre es anstatt­des­sen mit einem “es ist wich­tig und gut, dass der Wes­ten in der Fra­ge Streu­mu­ni­ti­on nicht mehr einer Mei­nung ist, weil die eh die US lie­fern, also ists ja wurscht - weil wir sind eh immer noch einer Mei­nung” - also so mehr als Vasalle nehm ich an? Natür­lich, vom Deutsch­land­funk jeder­zeit ger­ne.

Die Geschlos­sen­heit des Wes­tens ist so wich­tig! Bis zu dem Punkt wo es so wich­tig ist, nicht geschlos­sen zu sein, und anstatt­des­sen bes­ser die Augen zu zu machen…

Wo steht eigent­lich die Schweiz mit die­sen Mes­sa­ge con­trol und PR Prak­ti­ken, im Ver­gleich zu Öster­reich im aktu­el­len Repor­ters without bor­ders Press Free­dom Index ranking?

OH! Schweiz Platz 12, Öster­reich Platz 29. 

Ich hof­fe der Stan­dard lässt sich heu­te noch eine Tor­te mit Sprüh­ker­zen kom­men. Wie­der wo ein Spit­zen­platz! Bei der Trans­pa­renz näm­lich. Nicht beim Repor­ting. Aber, naja - immerhin!

Die NZZ bringt dann halt ein­fach am sel­ben Tag Jour­na­lis­mus wie sie ihn in Öster­reich nie­mals lesen werden.
Aber, naja - immerhin.

Die­se Gesell­schaft ist das abso­lut abgrund­tief, gro­tesk Allerletzte.









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