Schmankerln:
Bei der Krise, in die Putin Europa gestürzt hat, geht es aber nicht nur um Sicherheit. Es geht um Philosophie. Das europäische Projekt beruht auf dem Gedanken, dass ehemalige Feinde durch wirtschaftliche, rechtliche und (schließlich) politische Abhängigkeiten zu Freunden werden können. Von außen gesehen wirkt der Krieg in der Ukraine wie eine militärische Intervention des 20. Jahrhunderts. Dieser Konflikt spielt sich aber nicht hinter einem eisernen Vorhang ab. Seine Parteien sind zutiefst miteinander verwoben und er wird nicht nur mit Flugzeugen und Panzern geführt, sondern auch mit Sanktionen, Lieferketten, Finanzströmen, Informationen und digitalen Bits.
Die Bits! Herrgott im Himmel beware, die europäischen Bits.
Ungarn, die Türkei und Serbien werden sich für eine Seite entscheiden müssen. Ein weiterer Streitpunkt sind Länder, die der EU beitreten wollen, für eine Mitgliedschaft aber nicht die nötigen Kriterien erfüllen: die Ukraine, Moldau, Georgien und die westlichen Balkanländer. Einige europäische Diplomaten sprechen bereits über ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, durch das diese Länder einen beschränkten Zugang zum Binnenmarkt, zur Energieunion oder zum Green Deal erhalten.
Die zweite Frage lautet, ob Europa für eine regionale Ordnung bereit ist, die nicht auf Regeln und Institutionen, sondern auf einem Gleichgewicht der Kräfte basiert.
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Außerdem steht eine neue Debatte über Militärbasen und Atomwaffen an, die Europas Aufmerksamkeit (und vermutlich Ressourcen) von ihrem globalen multilateralen Engagement abziehen wird.
Keine multilaterale Weltordnung mehr, endlich der Ständestaat der Regionen der in Alpbach seit Jahren gefeiert wird (Ulrike Guérot bekommt nach Jahrzehnten ihre Zukunftsvision, Putin sei Dank), Bündnistreue zu den USA, kein ausladendes multilaterales Wirtschaftsengagement mehr, ökonomische Einigelung, und dann noch Festung Europa oben drauf.
Es ist, und jetzt kommts - eine
Frage der Resilienz
Drittens: Hat Europa eine politische Basis für den Aufbau wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Resilienz? In Connectivity-Kriegen, das sind Konflikte zwischen voneinander abhängigen Mächten, sind Geduld und Leidensfähigkeit die Schlüssel zum Erfolg. Die Sanktionen gegen Russland finden zurzeit breite Unterstützung, die aber womöglich nachlässt, wenn die Öl- und Gaspreise weiter stark steigen und eine Rezession auslösen.
Gefragt sind noch mehr PR Projekte die Verzicht in die Bevölkerung dreschen.
Die Institutionen der EU haben eben erst einen gewaltigen Aufbaufonds eingerichtet, der verhindern soll, dass die Corona-Krise die EU auseinanderreißt. Jetzt denken sie über neue Solidaritätsmechanismen nach, die Verbraucherinnen und Verbrauchern dabei helfen sollen, mit den steigenden Energiepreisen und anderen Dominoeffekten durch die Sanktionen zurechtzukommen. So oder so wird Europa seine Energiemärkte, Lieferketten und Finanzen umstrukturieren müssen – mit enormen weltweiten Auswirkungen.
Aber auch Aufbauprojekte in den ärmeren Regionen, um die innere Kohäsion zu wahren.
Natürlich nicht ohne regelmäßige Abgaben an die US, wo kämen wir da denn hin…
Wie Jeremy Shapiro vom European Council on Foreign Relations schreibt, muss die Nato sich jetzt mit den Demokratien in Asien vernetzen, ihre Politik abstimmen und sogar ihre Ressourcen auf die europäische und die pazifische Bühne aufteilen.
Kampf ums Überleben
Die europäischen Staats- und Regierungschefs müssen die Welt, in der sie leben wollen, mit der Welt, die Putin ihnen aufgezwungen hat, in Einklang bringen. Manche werden nun sagen, der Fortschritt auf dem Weg zu einer auf Regeln basierenden umweltbewussten Welt, sei immer illusorisch gewesen. Ich bin aber weiterhin davon überzeugt, dass die gemeinsame Nutzung von Souveränität in Europa, die Entwicklung supranationaler Regulierungssystem und Kooperation in den Bereichen Technologie, Umweltschutz und Gesundheit unserer Zivilisation gewaltige Vorteile verschafft.Heute ist Geopolitik in Eurasien wieder ein Kampf ums Überleben. Die ultimative Frage lautet darum, wie wir die Werte von Kants ewigem Frieden innerhalb der EU bewahren und uns gleichzeitig gegen Gefahren aus dem umliegenden Dschungel verteidigen können.
Ab ins Feudalwesen, aber mit Pathos, Umweltschutz und Gesundheit. Und ein wenig Technologie, aber bitte nicht in Massenfertigung. Ok, vielleicht einen Tesla made in Germany für die Fahrt nach Alpbach.
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Mir schwant für das UvdL Gespräch mit Xi Jinping am 1. April übles…