Dem Standard war fad, da hat er feinste Hetze produziert

03. April 2022

Geht um die­sen Kom­men­tar, in dem Ralph Janik, Franz­o­bel und Precht nie­der­macht - und dabei sophi­sisch gegen Aspek­te argu­men­tiert die nicht Teil der Ursprungs­ar­gu­men­ta­ti­on waren.

Ers­te Proklamation:

Man dür­fe nicht für eine “neu­tra­le Ukrai­ne” argu­men­tie­ren, da das hoch spe­ku­la­tiv sei. Außer­dem dür­fe man nicht über ein Able­ben Putins spe­ku­lie­ren, da der Krieg in der rus­si­schen Bevöl­ke­rung Unter­stüt­zung genie­ße und ein ‘Post put­in­scher’ Frie­den alles ande­re als gewiss sei.

Das Ers­te ist ne schlich­te Lüge - eine neu­tra­le Ukrai­ne ist bereits akti­ver Teil des Ver­hand­lungs­pro­zes­ses und war es seit Wochen. Das Pro­blem ist die Aus­ge­stal­tung der Neu­tra­li­tät (Sicher­heits­ga­ran­tien, wei­te­re Mili­ta­ri­sie­rung der Ukraine, …).

Das Zwei­te ist ein Pleo­nas­mus. Ein Frie­de - inner­halb unse­rer neu­en, gran­dio­sen, euro­päi­schen Frie­dens­ord­nung - jetzt neu - in hoch­ge­rüs­te­ter, abschre­cken­der, aber auch akti­ve­rer (wei­ter weg von Euro­pa) Form, ist immer alles ande­re als gewiss. Der Pleo­nas­mus besteht bereits initi­al, aber neh­men wir hier die kon­kre­te Aus­for­mung ruhig mit.

Der Stan­dard fin­det sich an die­ser Stel­le aber schon einen auf­stre­ben­den Sophis­ten für ein Kom­men­tar, der dumm genug ist nicht zu mer­ken dass er mit sei­ner Argu­men­ta­ti­on ande­re Mög­lich­keit eines Kriegs­aus­gangs, die nicht in “kom­plet­te Ver­trei­bung der rus­si­schen Inva­so­ren” bestehen, zur Gän­ze ausschließt.

So ver­blö­det kann ich mich gar­nicht geben, dass mir das nicht noch wäh­rend des For­mu­lie­rens auffällt.

Wobei - kom­plett ver­blö­det kann Ralph Janik auch nicht sein, denn er erwähnt ja dezi­diert das Model Afgha­ni­stan als idea­le Lösungs­op­ti­on. Mehr dazu am Ende des Beitrags.

Zwei­te Proklamation:

Franz­o­bels Kom­men­tar, dass er aus Grün­den der Gewalt­frei­heit für pas­si­ven Wider­stand, und har­te Wirt­schafts­sank­tio­nen wäre, wäre nicht realistisch.

Gut, hät­te ich eben­falls aus­ein­an­der­ge­nom­men. Der Teil der Kri­tik geht in Ord­nung - wobei der Ver­weis “auto­ri­tä­re Staa­ten wei­sen eine hohe Sank­ti­on­s­im­mu­ni­tät auf” wie­der einer der ver­damm­ten Tal­king­points ist, die ich bereits zum 23 Mal gehört habe -- und im Hin­blick dar­auf, dass wir gesell­schaft­lich gleich­zei­tig immer noch stark auf einen Sank­ti­ons­me­cha­nis­mus bau­en, wirkt das als Argu­ment - dass man mora­lisch für einen lan­ge anhal­ten­den Krieg sein müs­se - wirk­lich gänz­lich deplatziert.

Jetzt wer­den im Fal­le Franz­o­bels, von Ralph Janik die­se bei­den Argu­men­te (Sank­tio­nen und Pas­si­ver Wider­stand) aber nur her­an­ge­zo­gen um sie zu wider­le­gen. Das Haupt­ar­gu­ment Franz­o­bels “Zu Kriegs­be­ginn war ich über­zeugt, es wäre klü­ger, die Ukrai­ne wür­de kapi­tu­lie­ren, eine Exil­re­gie­rung bil­den, die Bevöl­ke­rung zu fried­li­chem Wider­stand auf­ru­fen und mit­tels inter­na­tio­na­ler Sank­tio­nen ver­su­chen, Russ­land zu stop­pen. Ich bin es immer noch.” wird davon nicht berührt. Denn hier haben wir es mit einer Abwä­gungs­fra­ge zu tun. Dh. selbst eine hohe Sank­ti­on­s­im­mu­ni­tät, wäre hier gegen Leid und ver­wirk­tes mensch­li­ches Leben gegen­zu­rech­nen. Aber genau das ist es was als Betrach­tung öffent­lich nicht mehr statt­fin­den darf. In der bes­ten aller mög­li­chen Wel­ten, hat der bes­te aller mög­li­chen Hel­den­prä­si­den­ten, die bes­ten aller mög­li­chen Ent­schei­dun­gen getrof­fen, um muss jetzt lei­der noch kurz Russ­land kom­plett besie­gen, um sei­ne Part­ner zur Gän­ze zufriedenzustellen.

Also wird gegen zwei Argu­men­te geschos­sen, die das Grund­ar­gu­ment nicht direkt berüh­ren. Hier die ver­such­te Wider­le­gung des Zweiten:

Ein ent­schei­den­der Erfolgs­fak­tor sind Über­läu­fer aus den Rei­hen der Armee oder Poli­zei, die fried­li­che Pro­tes­te nicht gewalt­sam nie­der­schla­gen wol­len. Das lässt sich nicht 1:1 auf Beset­zun­gen frem­der Staa­ten ummün­zen. Der rus­si­sche Trup­pen­ab­zug aus Afgha­ni­stan wur­de jeden­falls nicht auf fried­li­chem Wege herbeigeführt.”

Vom Zeit­ho­ri­zont irgend­wann mal in drei Jah­ren ange­sie­delt, wenn kein Kriegs­recht mehr aus­ge­ru­fen ist, und die loka­le Poli­zei wie­der Pro­tes­te managt. Oder auf Über­läu­fer im Mili­tär setzend.

Wir hal­ten noch­mal fest, man dür­fe nicht auf gewalt­frei­en Wider­stand set­zen, da die Ukrai­ne auf Über­läu­fer aus dem rus­si­schen Mili­tär bau­en müsse.

Und schon hat man zwei vali­de Posi­tio­nen mit kom­plet­tem Schwach­sinn weggehetzt.

Jetzt muss man aber noch die Öffent­lich­keit über­zeu­gen, also lässt man noch ein paar hoch emo­tio­na­le Kom­men­ta­re durch, die gegen Intel­lek­tu­el­le het­zen, da die­se abseits der Rea­li­tät [jetzt wird erst noch­mal ordent­lich wei­ter gestor­ben] leben würden.

Die Polen etwa leb­ten bis vor 30 Jah­ren (rech­net man die Tur­bu­len­zen der Post-Wende-Jahre dazu, bis vor 25 Jah­ren) in einer Dau­er­kri­se, ver­bun­den mit exis­ten­ti­el­len Ängs­ten und Stress. Ein Teil der Gesell­schaft ris­kier­te sein Leben für diver­se Idea­le. Das mach­te sie resi­li­en­ter gegen­über Kri­sen. Sie sehen die­sen Krieg und den Kampf mit ganz ande­ren Augen als die West­ler. Sol­che Gedan­ken wie die von lin­ken west­li­chen Intel­lek­tu­el­len wird man dort ver­ge­bens suchen. Und ja, das ist eine rea­lis­ti­sche Ein­schät­zung. Die Ukrai­ne hat kei­nen ande­ren Aus­weg als wei­ter zu kämp­fen. Putin ver­steht nur die­se Sprache.

ICH HASSE DIESE GESELLSCHAFT. (Das ist, inklu­si­ve der spe­zi­fi­schen Ver­wen­dung des Resi­li­en­z­be­grif­fes, übri­gens die Umset­zung (Ope­ra­tio­na­li­sie­rung) die­ser ECFR For­de­rung die Gesell­schaf­ten jetzt dahin­ge­hend poli­tisch zu mani­pu­lie­ren eben­falls für eine lan­ge anhal­ten­de Mili­ta­ri­sie­rung zu sein. Da bekommt grad wer Alp­bach Brow­nie points. (Sie­he auch: Pon­to Think­tank - Inte­gra­ti­on in Alp­bach))

Fas­se aber trotz des immensen, hoch­ko­chen­den Has­ses, noch­mal zum ein­fa­che­ren Ver­ständ­nis zusammen:

Am 31.03. beginnt der Atlan­tic Coun­cil mit dem Messaging, dass die Ukrai­ne mehr Offen­siv­waf­fen for­dern sol­le (non dis­tinct, um kei­ne öffent­li­chen Dis­kus­sio­nen zu pro­vo­zie­ren), um für einen lan­ge anhal­ten­den Stel­lungs­krieg (jetzt mit pro­non­cier­te­ren Fron­ten im Osten) gewapp­net zu sein.

Am 02.04. greift ein Bera­ter des ukrai­ni­schen Prä­si­den­ten (Selen­skyj ist mitt­ler­wei­le offen­bar nicht mehr die ers­te Per­son, wenn es um die öffent­li­che Dar­le­gung stra­te­gi­scher Posi­tio­nen geht - Bera­ter und nicht er selbst, haben heu­te auch bereits die Gräu­el­ta­ten in Butscha kom­men­tiert) den Tal­king Point des Atlan­tic Coun­cil auf und for­dert nun­mehr eben­falls Angriffs­waf­fen - ohne zu sehr zu spe­zi­fi­zie­ren (das ist der neue Aspekt), jedoch nicht wie vom Atlan­tic Coun­cil skiz­ziert “um den Krieg wei­ter zu pro­lon­gie­ren (war of attri­ti­on, Afgha­ni­stan Model)”, son­dern um “wei­te­re Gebie­te zurück­zu­er­obern und rus­si­sche Trup­pen gänz­lich aus der Ukrai­ne zu vertreiben”.

Am 03.04 fin­det sich der Stan­dard einen auf­stre­ben­den Euro­pa­recht­ler, der feh­lar­gu­men­tiert um ALLE Optio­nen außer einem voll­um­fäng­li­chen Sieg der Ukrai­ne und der Ver­trei­bung aller rus­si­scher Trup­pen, als Lösung öffent­lich aus­zu­schlie­ßen, dabei über die eige­nen ein­ge­setz­ten rhe­to­ri­schen Mit­tel stol­pert, und neben­bei noch öffent­lich gegen Leu­te mit ande­ren Posi­tio­nen hetzt. Da die­se nicht trag­bar sei­en, da ja kom­plett dane­ben. (Wer­tung)
Und schlägt, eben­falls ganz neben­bei, jede Opti­on außer einen lan­ge andau­ern­den Krieg per Defi­ni­ti­on als Lösungs­op­ti­on kom­plett aus - um voll­ends beim Atlan­tic Coun­cil Stand­punkt anzu­do­cken. (Neu­tra­li­tät ist nicht genug, Putin wird abge­setzt ist nicht genug, …)

Will sich dem aber nicht stel­len und schiebt noch schnell fol­gen­des Reframing nach:

Dar­aus folgt kei­ne west­li­che Kriegs­geil­heit, ganz im Gegen­teil. Die EU-Mitglieder sind “post­he­roi­sche Gesell­schaf­ten, in denen krie­ge­ri­sche Gewalt und die damit ver­bun­de­nen Wer­te kei­ne bedeu­ten­den Wer­te spie­len”, wie es der deut­sche Poli­tik­wis­sen­schaf­ter Her­fried Münk­ler beschreibt.

Damit aber immer noch nicht genug - sieht er, der Euro­pa­recht­ler, wie das Atlan­tic Coun­cil, dezi­diert Afgha­ni­stan als Vor­bild, wie der Kon­flikt in der Ukrai­ne gelöst wer­den müsse.

Stan­dard Kom­men­ta­to­ren, gegen Intel­lekt, gegen die Wirk­lich­keit (Neu­tra­li­tät ist ein Ver­hand­lungs­ge­gen­stand), gegen die vor­geb­li­chen Zie­le der Ukrai­ne (“wol­len kein zwei­tes Afgha­ni­stan wer­den”) - aber für die Het­ze gegen abwei­chen­de Mei­nun­gen. Bei gleich­zei­ti­gem Ando­cken an den Atlan­tic Council.

Wenn auch du wis­sen willst, wel­che Mei­nung du mor­gen noch aus­spre­chen darfst, lies auch du heu­te schon die Qua­li­täts­zei­tung dei­ner Wahl.

DIESE GESELLSCHAFT IST DAS ALLERLETZTE.

edit: Der Stan­dard ist hier aber selbst­re­dend nicht allei­ne, die Atlan­tic Coun­cil Tal­king­points [offen­si­ve wea­pons, but used defen­si­ve­ly; Ukrai­ni­ans can and should (moral­ly) win] fin­den sich heu­te u.a. auch bei Times Radio (click und click) und anderen.

edit2: Eric Frey for­dert jetzt auch mehr Waf­fen - ist sich aber nicht sicher wel­che, weil - non dis­tinct. Schwer müss­ten sie sein..

Dafür wer­den auch schwe­re Waf­fen wie Pan­zer und Artil­le­rie­ge­schüt­ze, viel­leicht auch Jets, benö­tigt. Die Mas­sa­ker an ukrai­ni­schen Män­nern im Kie­wer Vor­ort Butscha zei­gen die Dring­lich­keit sol­cher Lieferungen.

edit3: 18.04. Mehr Het­ze gegen betei­lig­te Parteien:
click und click

edit4: 20.04. Ich hab gehört, die Öffent­lich­keit will mehr Het­ze? click









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