Massengrab in Isjum

16. September 2022

Mas­sen­grab mit 440 Per­so­nen in Isjum ent­deckt bei einer 48.000 Per­so­nen Stadt sind das mehr als 1% der erwach­se­nen Bevöl­ke­rung, sofern die Lei­chen Zivi­lis­ten sind, die aus dem Umfeld stammen.
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Amnes­ty Inter­na­tio­nal dazu am 08. März 2022:

UKRAINE: BELAGERTE STADT ISJUM NACH RUSSISCHEN ANGRIFFEN AM RANDE DES ZUSAMMENBRUCHS
Das Bild zeigt ein kom­plett zer­stör­tes Gebäude
Ein zer­stör­tes Kran­ken­haus in der ukrai­ni­schen Stadt Isjum (8. März 2022)

© VOLODYMYR MATSOKIN via REUTERS

Die Zivil­be­völ­ke­rung in Isjum in der Regi­on Char­kiw im Osten der Ukrai­ne steht auf­grund des uner­bitt­li­chen Bom­bar­de­ments der rus­si­schen Streit­kräf­te am Ran­de einer huma­ni­tä­ren Kata­stro­phe. Dies geht aus neu­en Aus­sa­gen von Zeug_innen her­vor, die von Amnes­ty Inter­na­tio­nal gesam­melt wurden.

Die Bewohner_innen von Isjum befin­den sich seit dem 28. Febru­ar in einer stän­di­gen bela­ge­rungs­ähn­li­chen Situa­ti­on. Sie warn­ten, dass sie auf­grund der schwin­den­den Lebensmittel- und Was­ser­vor­rä­te am Ran­de ihrer Kräf­te stün­den, da sich die ver­blie­be­nen Zivil­per­so­nen in ihren Kel­lern ver­ste­cken müssten.

Zwi­schen dem 9. und 12. März befrag­te Amnes­ty Inter­na­tio­nal 26 Bewohner_innen von Isjum, unmit­tel­bar nach ihrer Eva­ku­ie­rung nach Swja­to­hirsk, einer Stadt in der Regi­on Donezk, die weit­ge­hend unter ukrai­ni­scher Kon­trol­le steht und unter stän­di­gem rus­si­schen Beschuss steht.

Dut­zen­de von Klein­städ­ten und Dör­fern in der Ukrai­ne wer­den unab­läs­sig ange­grif­fen und ihre ver­zwei­fel­ten Bewohner_innen gera­ten ins Kreuz­feu­er oder wer­den von den angrei­fen­den rus­si­schen Streit­kräf­ten bela­gert”, sag­te Marie Strut­hers, Direk­to­rin von Amnes­ty Inter­na­tio­nal für Ost­eu­ro­pa und Zentralasien.

Die Aus­sa­gen, die wir aus Isjum gesam­melt haben, zei­gen den Schre­cken, den die Zivil­be­völ­ke­rung der Stadt erlebt, die in ihren Kel­lern ein­ge­schlos­sen ist: Die Men­schen haben kaum Nah­rung und Was­ser und sind stän­di­gen Angrif­fen aus­ge­setzt. Für die Bevöl­ke­rung von Isjum und ande­rer Städ­te an der Front­li­nie braucht es jetzt drin­gend huma­ni­tä­re Kor­ri­do­re, damit die Men­schen, die die Stadt ver­las­sen wol­len, sicher eva­ku­iert wer­den kön­nen und damit die Zurück­ge­blie­be­nen mit huma­ni­tä­ren Hilfs­gü­tern ver­sorgt wer­den können.”

Wir konn­ten nir­gend­wo etwas ande­res zu essen bekom­men, wir konn­ten unser Haus nicht ver­las­sen. Alles war unter Beschuss.

Nata­lia Bewoh­ne­rin eines Ein­fa­mi­li­en­hau­ses in Isjum
Berich­te über rus­si­sche Mili­tär­an­grif­fe auf Isjum gab es erst­mals am 28. Febru­ar, und seit dem 3. März ist die Stadt stän­di­gem Rake­ten­be­schuss aus­ge­setzt. Die meis­ten Wohn­ge­bie­te der Stadt sind auf­grund der Angrif­fe von Strom, Gas, Hei­zung und Mobil­funk abge­schnit­ten. Nach Anga­ben der ukrai­ni­schen Gene­ral­staats­an­walt­schaft wur­den bei den Angrif­fen am 3. März acht Zivil­per­so­nen, dar­un­ter zwei Kin­der, getö­tet, und auch das zen­tra­le Kran­ken­haus der Stadt wur­de erheb­lich beschä­digt. Seit­dem sind wei­te­re Todes­op­fer zu beklagen.

Die befrag­ten Per­so­nen berich­te­ten Amnes­ty Inter­na­tio­nal, dass bei rus­si­schen Angrif­fen Zivil­per­so­nen getö­tet und ver­letzt sowie zivi­le Infra­struk­tu­ren wie Wohn­häu­ser, Schu­len, Kin­der­gär­ten, medi­zi­ni­sche Ein­rich­tun­gen und Lebens­mit­tel­la­ger zer­stört oder beschä­digt wur­den. Eini­ge der Angrif­fe schei­nen wahl­los erfolgt zu sein und sind damit unrechtmäßig. 

Die von Amnes­ty Inter­na­tio­nal aus­ge­wer­te­ten Satel­li­ten­bil­der vom 12. März zei­gen deut­lich Kra­ter und Schä­den in der Nähe von Gebäu­den, die auf offe­nen Stras­sen­kar­ten als Grund­schu­len und Kran­ken­häu­ser ver­zeich­net sind.

Das Bild zeigt ein Satel­li­ten­bild einer Stadt, dar­auf zu sehen sind oran­ge­ne Krei­se und blaue Pfei­le, die Gebäu­de kenn­zeich­nen, die durch Angrif­fe zer­stört wurden
Das Satel­li­ten­bild der ukrai­ni­schen Stadt Isjum vom 12. März 2022 zeigt zahl­rei­che durch rus­si­sche Angrif­fe zer­stör­te oder beschä­dig­te Gebäude.

Die 72-jährige Svit­la­na lebt als Bin­nen­ver­trie­be­ne in Isjum, nach­dem sie in Fol­ge der Kon­troll­über­nah­me von Donezk durch von Russ­land unter­stütz­te Trup­pen dahin umge­sie­delt wur­de. Sie sag­te zu Amnes­ty Inter­na­tio­nal: “Als sie am 3. oder 4. März began­nen, uns zu bom­bar­die­ren, konn­ten wir nicht mehr nach drau­ßen gehen. Tag und Nacht wur­den Rake­ten abge­feu­ert… Wenn das noch ein paar Tage so wei­ter­geht, wer­den die Men­schen und die Stadt am Ende sein.”

Seit Beginn der Angrif­fe und der Schlie­ßung oder Zer­stö­rung meh­re­rer Lebens­mit­tel­ge­schäf­te ist die Bevöl­ke­rung von Isjum voll­stän­dig von huma­ni­tä­rer Hil­fe und der Ver­sor­gung mit Lebens­mit­teln abhän­gig. Der Zugang zu Strom, Gas, Hei­zung und jeg­li­cher Art von Kom­mu­ni­ka­ti­on ist unter­bro­chen, und die Men­schen lei­den auch unter feh­len­den sani­tä­ren Ein­rich­tun­gen und Wassermangel. 

Tetya­na, die sich mit ihrem fünf Mona­te alten Baby in einer Not­un­ter­kunft in der Stadt auf­ge­hal­ten hat­te, sag­te: “Als wir weg­gin­gen, gab es nur noch drei Fünf-Liter-Behälter mit Was­ser für 55 Per­so­nen. Ich weiß nicht, wie sie über­le­ben werden.”

Huma­ni­tä­re Hil­fe und Brot wur­den spo­ra­disch in die Stadt gelie­fert. Auf­grund von Eng­päs­sen und des anhal­ten­den Man­gels an Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln hat dies jedoch nur eini­ge Zivil­per­so­nen erreicht, vor allem die­je­ni­gen, die sich in grö­ße­ren Luft­schutz­räu­men ver­ste­cken, die sich oft in Schu­len befinden. 

Befrag­te berich­te­ten Amnes­ty Inter­na­tio­nal, dass Men­schen, die in Wohn­vier­teln in Ein­fa­mi­li­en­häu­sern leb­ten, Schwie­rig­kei­ten hat­ten, an Nah­rungs­mit­tel zu gelan­gen, da ihre Vier­tel zu den am stärks­ten beschä­dig­ten gehör­ten und die meis­ten Häu­ser kei­nen oder nur einen sehr klei­nen Kel­ler hat­ten, um sich in Sicher­heit zu bringen. 

Nata­lia, Bewoh­ne­rin eines Ein­fa­mi­li­en­hau­ses, sag­te: “Wir haben sechs Tage im Kel­ler ver­bracht. Er ist sehr klein, man muss in dem Raum ste­hen, man kann sich nicht hin­le­gen. Sobald es eine Pau­se [bei den Angrif­fen] gab, lie­fen wir schnell hin­aus, um bei den Hüh­nern ein paar Eier zu holen… Unser Kind war hung­rig, da wir kaum etwas zu essen hat­ten. Alles, was wir hat­ten, waren Res­te von tro­cke­nem Brot, Äpfel aus dem Kel­ler, Essig­gur­ken aus der Dose und Mar­me­la­de… Wir konn­ten nir­gend­wo etwas ande­res zu essen bekom­men, wir konn­ten unser Haus nicht ver­las­sen. Alles war unter Beschuss.”

Zwei der Befrag­ten sag­ten, sie sei­en ins Kreuz­feu­er gera­ten, als die Kämp­fe in Vor­or­ten der Stadt tob­ten. Ein Mann sag­te, dass sich meh­re­re ukrai­ni­sche Kämp­fen­de – die nach den Kriegs­re­geln als recht­mäs­si­ge Angriffs­zie­le gel­ten wür­den – in einer der Woh­nun­gen in sei­nem Haus auf­ge­hal­ten hät­ten, das ange­grif­fen wur­de. Ande­re Bewohner_innen von Isjum berich­te­ten Amnes­ty Inter­na­tio­nal, dass es in der Nähe ihrer zer­bomb­ten Vier­tel kei­ne Mili­tär­stütz­punk­te oder ande­re mili­tä­ri­sche Zie­le gebe. 

Huma­ni­tä­re Kor­ri­do­re drin­gend notwendig

Am 9. März konn­ten die ört­li­chen Behör­den nach Anga­ben loka­ler Quel­len auf­grund der stän­di­gen Angrif­fe und des indi­rek­ten Beschus­ses statt der geplan­ten 5000 nur 250 Men­schen aus Isjum eva­ku­ie­ren. Am 10. März wur­den wei­te­re 2000 Men­schen eva­ku­iert. Neben den ört­li­chen Behör­den nutz­ten auch Frei­wil­li­ge und Aktivist_innen Pri­vat­fahr­zeu­ge, um die Zivil­be­völ­ke­rung zu evakuieren. 

Vie­le Zivil­per­so­nen, vor allem älte­re Men­schen und Men­schen mit Behin­de­run­gen, zogen es vor, zu blei­ben oder waren nicht in der Lage zu flie­hen. Das huma­ni­tä­re Völ­ker­recht ver­bie­tet vor­sätz­li­che Angrif­fe auf Zivil­per­so­nen und zivi­le Objek­te sowie wahl­lo­se und unver­hält­nis­mäs­si­ge Angrif­fe. Die rus­si­schen Streit­kräf­te müs­sen alle erdenk­li­chen Vor­keh­run­gen tref­fen, um die Zivil­be­völ­ke­rung und zivi­le Objek­te zu schonen. 

Die ukrai­ni­schen Streit­kräf­te soll­ten eben­falls alle mach­ba­ren Vor­keh­run­gen tref­fen, um die Zivil­be­völ­ke­rung und zivi­le Objek­te unter ihrer Kon­trol­le vor den Aus­wir­kun­gen von Angrif­fen zu schüt­zen. Ins­be­son­de­re soll­ten sie es ver­mei­den, von Wohn­vier­teln aus zu ope­rie­ren, in denen sie unter Beschuss gera­ten kön­nen und damit auch Zivil­per­so­nen oder zivi­le Objek­te gefähr­det werden.

Amnes­ty Inter­na­tio­nal hat bereits frü­her gefor­dert, dass der Zivil­be­völ­ke­rung die Flucht über huma­ni­tä­re Kor­ri­do­re ermög­licht wer­den muss. Amnes­ty Inter­na­tio­nal betrach­tet die rus­si­sche Inva­si­on in der Ukrai­ne als einen Akt der Aggres­si­on.

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Kreuz­feu­er und eine sich anbah­nen­de huma­ni­tä­re Katastrophe.

Selen­skyj weckt bereits mit “haben die glei­chen Bil­der in Butscha gese­hen” Asso­zia­tio­nen. (In Butscha began der Aus­hub der Mas­sen­grä­ber am 10. März, die Ukrai­ne bestä­tig­te 410 gefun­de­ne­ne zivi­le Lei­chen.)

Da kann der Krieg ja end­lich bis zum abso­lu­ten Ende weitergehen.

Inter­na­tio­na­le Beob­ach­ter (Foren­si­ker) 8 Tage nach dem man die ers­ten Lei­chen bewegt hat? Büro des Gene­ral­staats­an­walts der Ukrai­ne wie­der für die Auf­ar­bei­tung ver­ant­wort­lich? Die rus­si­sche “Ent­schul­di­gung” die meis­ten Lei­chen in Butscha hät­ten laut dem bri­ti­schen Guar­di­an Gra­nat­split­ter­ver­let­zun­gen auf­ge­wie­sen (Lav­rov im BBC Inter­view), wie­der kei­nem Fak­ten­check unterwerfen?

Ist ein geis­ti­ger Remin­der das in einem Monat zu prüfen.

Nach­trag: Isjum war auch nach der rus­si­schen Erobe­rung am 24. März vier Mona­te lang stark umkämpft.

edit: Eini­ge Stun­den spä­ter - kein Mas­sen­grab, aber ein­zel­ne Grä­ber in glei­cher Anzahl:

Ich möch­te das nicht Butscha nen­nen – hier wur­den die Men­schen, sagen wir ein­mal, zivi­li­sier­ter bei­gesetzt”, so Koten­ko gegen­über dem TV-Sender Nas­to­jascht­schee Wrem­ja am Frei­tag. Der ukrai­ni­sche Prä­si­dent Wol­dym­yr Selen­skyj hat­te zuvor in einer Video­an­spra­che vom Don­ners­tag­abend von einem “Mas­sen­grab” in Isjum gespro­chen, ohne Details zu nen­nen. Die Men­schen in Isjum sei­en wohl gestor­ben, als Russ­lands Trup­pen die Stadt im Zuge der Erobe­rung Ende März hef­tig beschos­sen hät­ten, sag­te der Ver­miss­ten­be­auf­trag­te. “Die Mehr­zahl starb unter Beschuss.” Die Bestat­tungs­diens­te hät­ten zum Teil nicht gewusst, wer die vie­len toten Men­schen sei­en. Des­halb stün­den auf eini­gen Kreu­zen nur Num­mern. Der­zeit bemüh­ten sich die Behör­den, ein Regis­ter mit den Fund­or­ten der Lei­chen zu finden. 

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edit: Es exis­tiert bereits Detail­in­for­ma­ti­on zu den häu­figs­ten Todes­ar­ten: click









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