- also in den Medien… Das Höchste der Gefühle ist eine zweistündige Liveschalte ins Europäische Parlament. Den Rest darf sich der geneigte Zuseher selbst zusammenpuzzlen.
Die Position wird von Josep Borrell (Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik) vertreten, die Ansprache beginnt bei 31:15 im Video.
“Der Europäische Rat hat unter der Leitung von Präsident Michell ein par Leitlinien ausgegeben um jetzt zu handeln […]”
Drei Ziele (Paraphrasiert, aber immer noch Zitate der Rede):
- Russland muss von der internationalen Gemeinschaft isoliert werden
- Die internationale Gemeinschaft muss hier geeint werden, in der Verteidigung der Grundrechte, und im Regelwerk der Gesetze. Wir sollten hier keine gespaltene Welt schaffen, durch einen kalten Krieg, wo der Westen gegen zwei Autokraten ist, während es eine Gruppe an aufstrebenden Ländern gibt, die versuchen im Konflikt nicht Partei zu ergreifen - aber, da sollten wir uns nichts vormachen, viele beugen sich der Herrschaft Russlands. In dieser Landschaft hatten wir bisher zwei große diplomatische Siege bei der UN, in der Form von zwei Abstimmungen in denen Russland verurteilt worden ist, und die Menschenrechte in der Ukraine verteidigt worden sind [Anmerkung: Das sind ältere Talkingpoints.] Wir sollten aber weiterhin darauf achten, ob diese Mehrheiten so solide sind. Das erfordert von uns, dass wir die Welt einmal ansehen, wie sie ist [ebenfalls ein Talkingpoint, aber dass der von Borrell kommt, ist (mir zumindest) neu] - um die Gründe für diese Sichtweisen nachvollziehen zu können.
- Was die Verteidigung der Sicherheit anbelangt, hat der Europäische Rat den strategischen Kompass verabschiedet, das ist nun die Möglichkeit unsere Kapazitäten in diesem Bereich aufzustocken. Diese Krise hat ganz klar unsere Schwächen in Punkto Sicherheit und Verteidigung an den Tag gelegt. Von 2008 bis 2014 haben wir abgerüstet. […] Wir haben uns daran gewöhnt uns unter den Schutzschirm der Vereinigten Staaten zu legen, und dachten die Nato würde schon alles richten. Es gibt keine Alternative zur NATO was die territoriale Verteidigung Europas anbelangt, das sollten wir einmal klipp und klar gesagt haben. Aber abgesehen davon müssen wir auch unseren Teil hier leisten und unsere Verantwortung hier wahrnehmen. Wir müssen diese mangelnde Verantwortung der Europäer hier abstreifen, in punkto Verteidigung und Sicherheit, es wäre ein gravierender Fehler, wenn jetzt alle Länder ihre Verteidigungsausgaben im Verhältnis dazu aufstocken würden was sie jetzt schon haben, das wäre doch eine schreckliche Verschwendung! Denn wir würden dann eigentlich nur die jetzigen Doppelungen nur verstärken. [Es folgen die Werbe Keyfacts für den “strategischen Kompass” (Koordination)][…]
So weit so fade… aber jetzt kommt der interessante Teil.
“Vor ein paar wenigen Tagen hat mir [unverständlich] gesagt, dass wir den Krieg sehr schnell beenden müssen, und das Beste wäre, dass wir aufhören sollten die Ukraine zu bewaffnen. Ja wir müssen den Krieg in der Ukraine so schnell wie möglich beenden, aber wenn der Krieg beendet sein wird, wie wird der Krieg denn beendet werden? So schnell wie möglich ja - aber nicht egal wie! Es ist wichtig wie dieser Krieg zu Ende geführt wird. Denn wenn dieser Krieg zu einem zerstörten und beherrschten Land führt, das territorial zerstückelt ist, mit Millionen von Flüchtlingen und Tausenden von Toten - nein, wir möchten nicht, dass der Krieg so zu Ende geführt wird. Und damit es nicht soweit kommt, müssen wir auch weiterhin die Ukraine unterstützen. Wir wollen nicht, dass der Krieg so beendet wird. Zwar so schnell wie möglich, aber nicht egal wie. Und deshalb müssen wir auch weiterhin die Ukraine bewaffnen und aufrüsten, da brauchen wir weniger Applaus, aber mehr Hilfe. Wir müssen weniger oft sagen “die Ukraine ist ein Held”, nein, die Ukraine braucht mehr Waffen. Das erwarten die Ukrainer, und das machen wir auch, aber das müssen wir weiter machen und schneller. Wir müssen Druck auf Russland ausüben und wir müssen die Ukraine weiter bewaffnen. Wir müssen die Ukraine in ihrer Verteidigung unterstützen, und den Angreifer mit all unseren Möglichkeiten ausbremsen. Wir haben eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt, das hört sich vielleicht viel an, aber das zahlen wir tagtäglich Putin für die Energie die er uns liefert. Seit Ausbruch des Krieges haben wir ihnen 35 Milliarden Euro gegeben. Vergleichen sie das einmal mit den Milliarden die wir den Ukrainern für die Bewaffnung gegeben haben. Dieser eklatante Unterschied zeigt doch die Notwendigkeit, dass das was der Europäische Rat uns aufgegeben hat, dass die Energieabhängigkeit reduziert wird, und da wird die Kommission sicherlich führend auftreten, und auch die notwendigen Maßnahmen dafür ergreifen. Heute ist ein Stopp für die Kohle ausgesprochen worden, aber das ist nur ein Bruchteil der Rechnung - unsere Unabhängigkeit läuft über die Schiene der erneuerbaren Energieträger und die Geopolitik und der Klimawandel geben sich da bei einem gemeinsamen Ziel die Hand. Ich möchte dann noch einen Gedanken aussprechen, der für mich wesentlich ist. Wir Europäer müssen uns der Welt bewußt werden in der wir leben. Wir machen 5% der Weltbevölkerung aus 5% der Weltbevölkerung, aber nach dem letzten großen Krieg waren wir 25%. Wir sind von einem Kreis von Instabilität von Gibraltar bis zum Kaukasus umringt, mit einer Bevölkerung die zweimal jünger ist, als wir in der EU. Wir hängen sehr stark von Energielieferungen ab. Arm, alt und abhängig, das ist kein tolles Rezept für die Zukunft. Wir müssen uns verjüngen, wir müssen unseren Einflussbereich ausbauen, wir brauchen mehr Kapazitäten um unsere Grundsätze, unsere Werte zu verteidigen. Und wir müssen hier auch alle Mittel in die Hand nehmen, um unseren Einfluss in der Welt geltend zu machen. Und das koordiniert zwischen denen die die Mitgliedsstaaten vertreten und denen die die Kommission vertreten. Zum Glück haben wir die Europäische Union, wenn wir die Europäische Union nicht hätten, dann müssten wir sie erfinden. Denn was würden denn die europäischen mitgliedsstaaten tun, wenn sie heute allein dastehen würden? Was würde denn das größte Land tun, auch das mächtigste Land, wenn es sich jetzt hier der neuen Welt stellen müsste, die nun aufbricht? Unsere Einheit, die Einheit der Europäer, dass wir da gestalten, das ist praktisch der Kompass [Gott], der uns leitet um das zu verteidigen, was wir sind, die beste Verbindung der politischen Freiheit, wirtschaftlicher Wohlstand und sozialer Zusammenhalt, die wir der Welt geben wollen, und das ist heute gefährdet. Aber wir Europäer werden das verteidigen können.”
Kurze Anmerkung: Fickt euch. Für den parareligiösen Pathos. (Und ja mir sind alle Abhängigkeiten bewußt, von Gibraltar bis zu 5% der Weltbevölkerung.)
Vollziehen wir noch mal nach wie die Talking Points hier zu Borrell gewandert sind.
24. März 2022: Der Standard schreibt wieder mal Project Syndicate ab - und zwar spezifisch einen Kommentar von Mark Leonard, Direktor des European Council on Foreign Relations (Partizipient im ECFR für Österreich: Treichl, Alpbach, liebe Grüße…), der dort publiziert. Leonhard fordert eine eher bilaterale Weltordnung, eine Einstimmung der Bevölkerung auf längeren Krieg und längere Aufrüstung, Aufbau wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Resilienz (’s scheppert, bei fortschreitender Verarmung, also jetzt alle lustig miteinender auf niedrigerem Niveau, außerdem Europa der zwei Geschwindikeit, keine Vollmitgliedschaft mehr for you -), eine Philosopie für das gemeine Volk das das aufgedrückt bekommen muss, und Politiker die sich jetzt mit Pathos in die Bresche werfen müssen, damit die Bevölkerung das frisst.
31. März 2022: Das Atlantic Council arbeitet die Position aus, dass die Ukraine jetzt mehr Offensivwaffen braucht um nen langen war of attrition führen zu können und zwar schnell, sonst ist der Krieg bald vorbei.
02. April 20222: Selensikyjs Politberater übernehmen die Position des Atlantic Council ändern aber das warum in “um Putin ganz aus der Ukraine zu vertreiben!” um. Was ihnen eh keiner glaubt.
03. April 2022: Volkerrechtler Ralph Janík (aufgewachsen in Alpbach nahen Thinktanks) ist sich nicht zu blöd die Polemik zu schreiben, dies braucht um die Positionen von Franzobel und David Precht bezüglich des Ukraine Kriegs aus dem öffentlichen Diskurs zu eleminieren. Tragbare Argumente hat er keine, aber was solls, er muss nur Behauptungen zu Epistemen deklarieren, und Journalismus klatscht nicht nur, er hofiert ihn. Wichtiger Nebenaspekt, damit ist der Öffentliche Diskurs erstmalig auf der Position in der er mit Josep Borrells Rede heute zusammenfällt. (Mehr Krieg und mehr Waffen, nach dem Papstbesuch.)
06. April 2022: Josep Borrell übernimmt in einer öffentlichen Rede die Position des Atlantic Councils. (Dieser Beitrag.) Mit Abänderungen in zwei Punkten.
- Lieber doch keine bilaterale Welt, lieber multilateral (Oho, die EU lebt!)
- Und zwei kleinen Anmerkungen wie sehr man von der US (Atlantic Council) in Punkto Sicherheitsordnung abhängig ist (“Sicherheitsordnung in Europa ohne US als tragendes Element der NATO undenkbar”, “Gibraltar und Kaukasus”)
Und bestätigt dann noch nebenbei, dass die EU jetzt so lange aufrüsten würde wie notwendig um ein Szenario Ukraine als failed state zu vermeiden, beispielsweise, da Russland ihr den Meereszugang nimmt. Mangels exakter Definition des Ziels kanns noch länger dauern, aber das ist ja durchaus im Sinne aller Beteiligten.
Aber nicht ohne dann noch den Kompass rhetorisch zum göttlichen Ideal zu verklären, der unsere Werte in die Zukunft trägt, und unsere Kinder noch existenzfähig macht, womit auch das Propaganda Ansinnen des ECFR abgedeckt ist.
Exzellent. In den Medien würd ichs halt gern mal lesen… Also dass das die Position der EU Außen- und Sicherheitspolitikbeauftragten ist. Naja, morgen dann…
edit: 04. April 2022: Narval himmelt Bürgerräte deren Budget zu 30% aus “für PR Ausgaben” besteht als neue Formen für Entscheidungsfindung (Resilienz!!1!11!) an.
Und spart den Aspekt (dass das die letzten Pressemeldungen zu dem Konzept waren) im Artikel praktischerweise gleich ganz aus, er braucht das Setup für eine andere Schlussfolgerung. Aber gut, wer hört schon auf den…