Phoenix hat da eine interessante EU Position über die niemand berichten will

06. April 2022

- also in den Medi­en… Das Höchs­te der Gefüh­le ist eine zwei­stün­di­ge Live­schal­te ins Euro­päi­sche Par­la­ment. Den Rest darf sich der geneig­te Zuse­her selbst zusammenpuzzlen.

Die Posi­ti­on wird von Josep Bor­rell (Hoher Ver­tre­ter der EU für Außen- und Sicher­heits­po­li­tik) ver­tre­ten, die Anspra­che beginnt bei 31:15 im Video.

Der Euro­päi­sche Rat hat unter der Lei­tung von Prä­si­dent Michell ein par Leit­li­ni­en aus­ge­ge­ben um jetzt zu handeln […]”

Drei Zie­le (Para­phra­siert, aber immer noch Zita­te der Rede):
- Russ­land muss von der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft iso­liert werden
- Die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft muss hier geeint wer­den, in der Ver­tei­di­gung der Grund­rech­te, und im Regel­werk der Geset­ze. Wir soll­ten hier kei­ne gespal­te­ne Welt schaf­fen, durch einen kal­ten Krieg, wo der Wes­ten gegen zwei Auto­kra­ten ist, wäh­rend es eine Grup­pe an auf­stre­ben­den Län­dern gibt, die ver­su­chen im Kon­flikt nicht Par­tei zu ergrei­fen - aber, da soll­ten wir uns nichts vor­ma­chen, vie­le beu­gen sich der Herr­schaft Russ­lands. In die­ser Land­schaft hat­ten wir bis­her zwei gro­ße diplo­ma­ti­sche Sie­ge bei der UN, in der Form von zwei Abstim­mun­gen in denen Russ­land ver­ur­teilt wor­den ist, und die Men­schen­rech­te in der Ukrai­ne ver­tei­digt wor­den sind [Anmer­kung: Das sind älte­re Tal­king­points.] Wir soll­ten aber wei­ter­hin dar­auf ach­ten, ob die­se Mehr­hei­ten so soli­de sind. Das erfor­dert von uns, dass wir die Welt ein­mal anse­hen, wie sie ist [eben­falls ein Tal­king­point, aber dass der von Bor­rell kommt, ist (mir zumin­dest) neu] - um die Grün­de für die­se Sicht­wei­sen nach­voll­zie­hen zu können.
- Was die Ver­tei­di­gung der Sicher­heit anbe­langt, hat der Euro­päi­sche Rat den stra­te­gi­schen Kom­pass ver­ab­schie­det, das ist nun die Mög­lich­keit unse­re Kapa­zi­tä­ten in die­sem Bereich auf­zu­sto­cken. Die­se Kri­se hat ganz klar unse­re Schwä­chen in Punk­to Sicher­heit und Ver­tei­di­gung an den Tag gelegt. Von 2008 bis 2014 haben wir abge­rüs­tet. […] Wir haben uns dar­an gewöhnt uns unter den Schutz­schirm der Ver­ei­nig­ten Staa­ten zu legen, und dach­ten die Nato wür­de schon alles rich­ten. Es gibt kei­ne Alter­na­ti­ve zur NATO was die ter­ri­to­ria­le Ver­tei­di­gung Euro­pas anbe­langt, das soll­ten wir ein­mal klipp und klar gesagt haben. Aber abge­se­hen davon müs­sen wir auch unse­ren Teil hier leis­ten und unse­re Ver­ant­wor­tung hier wahr­neh­men. Wir müs­sen die­se man­geln­de Ver­ant­wor­tung der Euro­pä­er hier abstrei­fen, in punk­to Ver­tei­di­gung und Sicher­heit, es wäre ein gra­vie­ren­der Feh­ler, wenn jetzt alle Län­der ihre Ver­tei­di­gungs­aus­ga­ben im Ver­hält­nis dazu auf­sto­cken wür­den was sie jetzt schon haben, das wäre doch eine schreck­li­che Ver­schwen­dung! Denn wir wür­den dann eigent­lich nur die jet­zi­gen Dop­pe­lun­gen nur ver­stär­ken. [Es fol­gen die Wer­be Key­facts für den “stra­te­gi­schen Kom­pass” (Koor­di­na­ti­on)][…]

So weit so fade… aber jetzt kommt der inter­es­san­te Teil.

Vor ein paar weni­gen Tagen hat mir [unver­ständ­lich] gesagt, dass wir den Krieg sehr schnell been­den müs­sen, und das Bes­te wäre, dass wir auf­hö­ren soll­ten die Ukrai­ne zu bewaff­nen. Ja wir müs­sen den Krieg in der Ukrai­ne so schnell wie mög­lich been­den, aber wenn der Krieg been­det sein wird, wie wird der Krieg denn been­det wer­den? So schnell wie mög­lich ja - aber nicht egal wie! Es ist wich­tig wie die­ser Krieg zu Ende geführt wird. Denn wenn die­ser Krieg zu einem zer­stör­ten und beherrsch­ten Land führt, das ter­ri­to­ri­al zer­stü­ckelt ist, mit Mil­lio­nen von Flücht­lin­gen und Tau­sen­den von Toten - nein, wir möch­ten nicht, dass der Krieg so zu Ende geführt wird. Und damit es nicht soweit kommt, müs­sen wir auch wei­ter­hin die Ukrai­ne unter­stüt­zen. Wir wol­len nicht, dass der Krieg so been­det wird. Zwar so schnell wie mög­lich, aber nicht egal wie. Und des­halb müs­sen wir auch wei­ter­hin die Ukrai­ne bewaff­nen und auf­rüs­ten, da brau­chen wir weni­ger Applaus, aber mehr Hil­fe. Wir müs­sen weni­ger oft sagen “die Ukrai­ne ist ein Held”, nein, die Ukrai­ne braucht mehr Waf­fen. Das erwar­ten die Ukrai­ner, und das machen wir auch, aber das müs­sen wir wei­ter machen und schnel­ler. Wir müs­sen Druck auf Russ­land aus­üben und wir müs­sen die Ukrai­ne wei­ter bewaff­nen. Wir müs­sen die Ukrai­ne in ihrer Ver­tei­di­gung unter­stüt­zen, und den Angrei­fer mit all unse­ren Mög­lich­kei­ten aus­brem­sen. Wir haben eine Mil­li­ar­de Euro zur Ver­fü­gung gestellt, das hört sich viel­leicht viel an, aber das zah­len wir tag­täg­lich Putin für die Ener­gie die er uns lie­fert. Seit Aus­bruch des Krie­ges haben wir ihnen 35 Mil­li­ar­den Euro gege­ben. Ver­glei­chen sie das ein­mal mit den Mil­li­ar­den die wir den Ukrai­nern für die Bewaff­nung gege­ben haben. Die­ser ekla­tan­te Unter­schied zeigt doch die Not­wen­dig­keit, dass das was der Euro­päi­sche Rat uns auf­ge­ge­ben hat, dass die Ener­gie­ab­hän­gig­keit redu­ziert wird, und da wird die Kom­mis­si­on sicher­lich füh­rend auf­tre­ten, und auch die not­wen­di­gen Maß­nah­men dafür ergrei­fen. Heu­te ist ein Stopp für die Koh­le aus­ge­spro­chen wor­den, aber das ist nur ein Bruch­teil der Rech­nung - unse­re Unab­hän­gig­keit läuft über die Schie­ne der erneu­er­ba­ren Ener­gie­trä­ger und die Geo­po­li­tik und der Kli­ma­wan­del geben sich da bei einem gemein­sa­men Ziel die Hand. Ich möch­te dann noch einen Gedan­ken aus­spre­chen, der für mich wesent­lich ist. Wir Euro­pä­er müs­sen uns der Welt bewußt wer­den in der wir leben. Wir machen 5% der Welt­be­völ­ke­rung aus 5% der Welt­be­völ­ke­rung, aber nach dem letz­ten gro­ßen Krieg waren wir 25%. Wir sind von einem Kreis von Insta­bi­li­tät von Gibral­tar bis zum Kau­ka­sus umringt, mit einer Bevöl­ke­rung die zwei­mal jün­ger ist, als wir in der EU. Wir hän­gen sehr stark von Ener­gie­lie­fe­run­gen ab. Arm, alt und abhän­gig, das ist kein tol­les Rezept für die Zukunft. Wir müs­sen uns ver­jün­gen, wir müs­sen unse­ren Ein­fluss­be­reich aus­bau­en, wir brau­chen mehr Kapa­zi­tä­ten um unse­re Grund­sät­ze, unse­re Wer­te zu ver­tei­di­gen. Und wir müs­sen hier auch alle Mit­tel in die Hand neh­men, um unse­ren Ein­fluss in der Welt gel­tend zu machen. Und das koor­di­niert zwi­schen denen die die Mit­glieds­staa­ten ver­tre­ten und denen die die Kom­mis­si­on ver­tre­ten. Zum Glück haben wir die Euro­päi­sche Uni­on, wenn wir die Euro­päi­sche Uni­on nicht hät­ten, dann müss­ten wir sie erfin­den. Denn was wür­den denn die euro­päi­schen mit­glieds­staa­ten tun, wenn sie heu­te allein daste­hen wür­den? Was wür­de denn das größ­te Land tun, auch das mäch­tigs­te Land, wenn es sich jetzt hier der neu­en Welt stel­len müss­te, die nun auf­bricht? Unse­re Ein­heit, die Ein­heit der Euro­pä­er, dass wir da gestal­ten, das ist prak­tisch der Kom­pass [Gott], der uns lei­tet um das zu ver­tei­di­gen, was wir sind, die bes­te Ver­bin­dung der poli­ti­schen Frei­heit, wirt­schaft­li­cher Wohl­stand und sozia­ler Zusam­men­halt, die wir der Welt geben wol­len, und das ist heu­te gefähr­det. Aber wir Euro­pä­er wer­den das ver­tei­di­gen können.” 

Kur­ze Anmer­kung: Fickt euch. Für den para­re­li­giö­sen Pathos. (Und ja mir sind alle Abhän­gig­kei­ten bewußt, von Gibral­tar bis zu 5% der Weltbevölkerung.)

Voll­zie­hen wir noch mal nach wie die Tal­king Points hier zu Bor­rell gewan­dert sind.

24. März 2022: Der Stan­dard schreibt wie­der mal Pro­ject Syn­di­ca­te ab - und zwar spe­zi­fisch einen Kom­men­tar von Mark Leo­nard, Direk­tor des Euro­pean Coun­cil on For­eign Rela­ti­ons (Par­ti­zi­pi­ent im ECFR für Öster­reich: Treichl, Alp­bach, lie­be Grü­ße…), der dort publi­ziert. Leon­hard for­dert eine eher bila­te­ra­le Welt­ord­nung, eine Ein­stim­mung der Bevöl­ke­rung auf län­ge­ren Krieg und län­ge­re Auf­rüs­tung, Auf­bau wirt­schaft­li­cher und gesell­schaft­li­cher Resi­li­enz (’s schep­pert, bei fort­schrei­ten­der Ver­ar­mung, also jetzt alle lus­tig mit­ei­nender auf nied­ri­ge­rem Niveau, außer­dem Euro­pa der zwei Geschwin­dik­eit, kei­ne Voll­mit­glied­schaft mehr for you -), eine Phi­lo­so­pie für das gemei­ne Volk das das auf­ge­drückt bekom­men muss, und Poli­ti­ker die sich jetzt mit Pathos in die Bre­sche wer­fen müs­sen, damit die Bevöl­ke­rung das frisst.

31. März 2022: Das Atlan­tic Coun­cil arbei­tet die Posi­ti­on aus, dass die Ukrai­ne jetzt mehr Offen­siv­waf­fen braucht um nen lan­gen war of attri­ti­on füh­ren zu kön­nen und zwar schnell, sonst ist der Krieg bald vorbei.

02. April 20222: Selen­si­ky­js Polit­be­ra­ter über­neh­men die Posi­ti­on des Atlan­tic Coun­cil ändern aber das war­um in “um Putin ganz aus der Ukrai­ne zu ver­trei­ben!” um. Was ihnen eh kei­ner glaubt.

03. April 2022: Vol­ker­recht­ler Ralph Janík (auf­ge­wach­sen in Alp­bach nahen Think­tanks) ist sich nicht zu blöd die Pole­mik zu schrei­ben, dies braucht um die Posi­tio­nen von Franz­o­bel und David Precht bezüg­lich des Ukrai­ne Kriegs aus dem öffent­li­chen Dis­kurs zu ele­mi­nie­ren. Trag­ba­re Argu­men­te hat er kei­ne, aber was solls, er muss nur Behaup­tun­gen zu Epis­te­men dekla­rie­ren, und Jour­na­lis­mus klatscht nicht nur, er hofiert ihn. Wich­ti­ger Neben­aspekt, damit ist der Öffent­li­che Dis­kurs erst­ma­lig auf der Posi­ti­on in der er mit Josep Bor­rells Rede heu­te zusam­men­fällt. (Mehr Krieg und mehr Waf­fen, nach dem Papstbesuch.)

06. April 2022: Josep Bor­rell über­nimmt in einer öffent­li­chen Rede die Posi­ti­on des Atlan­tic Coun­cils. (Die­ser Bei­trag.) Mit Abän­de­run­gen in zwei Punkten.
- Lie­ber doch kei­ne bila­te­ra­le Welt, lie­ber mul­ti­la­te­ral (Oho, die EU lebt!)
- Und zwei klei­nen Anmer­kun­gen wie sehr man von der US (Atlan­tic Coun­cil) in Punk­to Sicher­heits­ord­nung abhän­gig ist (“Sicher­heits­ord­nung in Euro­pa ohne US als tra­gen­des Ele­ment der NATO undenk­bar”, “Gibral­tar und Kaukasus”)
Und bestä­tigt dann noch neben­bei, dass die EU jetzt so lan­ge auf­rüs­ten wür­de wie not­wen­dig um ein Sze­na­rio Ukrai­ne als fai­led sta­te zu ver­mei­den, bei­spiels­wei­se, da Russ­land ihr den Mee­res­zu­gang nimmt. Man­gels exak­ter Defi­ni­ti­on des Ziels kanns noch län­ger dau­ern, aber das ist ja durch­aus im Sin­ne aller Beteiligten.

Aber nicht ohne dann noch den Kom­pass rhe­to­risch zum gött­li­chen Ide­al zu ver­klä­ren, der unse­re Wer­te in die Zukunft trägt, und unse­re Kin­der noch exis­tenz­fä­hig macht, womit auch das Pro­pa­gan­da Ansin­nen des ECFR abge­deckt ist.

Exzel­lent. In den Medi­en würd ichs halt gern mal lesen… Also dass das die Posi­ti­on der EU Außen- und Sicher­heits­po­li­tik­be­auf­trag­ten ist. Naja, mor­gen dann…

edit: 04. April 2022: Nar­val him­melt Bür­ger­rä­te deren Bud­get zu 30% aus “für PR Aus­ga­ben” besteht als neue For­men für Ent­schei­dungs­fin­dung (Resilienz!!1!11!) an.

Und spart den Aspekt (dass das die letz­ten Pres­se­mel­dun­gen zu dem Kon­zept waren) im Arti­kel prak­ti­scher­wei­se gleich ganz aus, er braucht das Set­up für eine ande­re Schluss­fol­ge­rung. Aber gut, wer hört schon auf den…









Hinterlasse eine Antwort