Dieses Interview ist zuerst im Handelsblatt erschienen.
Herr Tooze, fast nirgends ist die Industrie so wichtig wie in Deutschland. Wird das trotz Energie- und Klimakrise so bleiben können?
Das weiß ich nicht. Ich weiß nur: Deutschland hat einen Industrie-Fetisch. Es klammert sich an ein Wirtschaftsmodell, dessen Zukunft infrage steht. Natürlich brauchen wir für die Energiewende Lösungen aus der Industrie, aber darauf ein ganzes Gesellschaftsbild aufzubauen ist übertrieben.
Die Industrie ist Wohlstandsgarant in diesem Land.
Ja, aber doch nur deshalb, weil viele Leute dafür sorgen, dass sich an dieser Struktur nichts ändern kann. In Deutschland gibt es eine ideologische Überhöhung dieses Sektors, die an den Realitäten vorbeigeht. Es gibt andere Sektoren, in denen die deutsche Wirtschaft ihre Ressourcen besser verwenden könnte: Dienstleistungen, Forschung, die Suche nach neuen Technologien.
Sie können mir doch nicht erzählen, dass das Zusammenschrauben von Autos und Kochen von Stahl zum deutschen Selbstverständnis passt, an der Spitze der weltwirtschaftlichen Errungenschaften zu stehen.
Aber es muss doch beides zusammenkommen: Ohne die neuen Technologien hat die Industrie keine Zukunft; die Wertschöpfung in der Industrie braucht es aber, um die neuen Technologien zu ermöglichen.
Das ist die Geschichte, die Industrievertreter erzählen. Und es ist das deutsche Problem, dass die Bevölkerung es ihnen seit Jahrzehnten glaubt. Nur die Industrie ist richtige Wirtschaft, da kommen am Ende Produkte raus, die man sieht, die man anfassen kann. Wie soll eine Wirtschaft funktionieren, in der nichts hergestellt wird, was man sieht?
Eben, gar nicht. Ganz ohne Gewerbe kann keine Wirtschaft laufen.
Ich will ja auch nicht sagen, dass Deutschland gar keine Industrie bräuchte. Aber viele andere Volkswirtschaften in Europa kommen gut mit deutlich kleineren Industriesektoren aus. Und eine Industrie ist doch vor allem dann gut, wenn sie sich durch ihren eigenen Erfolg verdrängt.
Wie die Landwirtschaft?
Ganz genau. […]
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You’ll own nothing - and you’ll love it.
Mehrwert kreiert durch Servicegesellschaft.
Forschung für die Produktion in den US.
Keine billigen Konsumgüter.
Ich sage mir heutzutage vermehrt was für ein enormer Zufall es doch ist, dass die Alpbach Laxenburg Group seit 2013 besteht, die Under2 Coalition seit 2017, die IIASA seit 2015 begonnen hat Bevölkerungen über Emotionen für “transformation to sustainability zu interessieren” und das in einem Ausmaß, dass Gloria Benedikt in Alpbach in einem Panel von sich gegeben hat, dass es bei der IIASA zuerst große Bedenken gab, da “Überzeugen durch Emotion” zu sehr an Nationalsozialismus erinnerte, sich die Vorbehalte aber aufgelöst haben, als die Verantwortlichen bei der IIASA gesehen haben “was damit möglich ist”. Dass Fridays for Future Österreich von Johannes Stangl, dem ehemaligen Leiter der Initiativgruppe Alpbach Wien gegründet wurde “weil wir sowas hier auch brauchen”. (Siehe auch: click)
Und erinnere mich an Zeiten zurück in denen ich mich tatsächlich gefragt habe, warum die erwachsenen NGO Mitarbeiter bei den ersten Klimaprotesten in Deutschland so gewirkt haben, als wären sie professionelle Jugendanimateure, als sie von der Bühne aus “wer nicht hüpft der ist für Kohle” angestimmt haben. Das Bild ging mir damals nicht aus dem Kopf.
Für eine Bevölkerung die die Politik emotional überzeugen sollte sich für etwas einzusetzen was sie selbst zwar versteht, aber nicht im Detail. Bei einem Thema das seit mindestens einer Generation fest auf dem politischen und wirtschaftlichen Entscheidungslevel sehr weit oben angelegt ist. Für eine Option auf eine schnellere Reduktion des CO2 Ausstosses und damit einen niedrigeren Anstieg der globalen Temperatur. Zum Teil über eine UN Initiative die über Aktivismus den Beitritt von mehr Ländern zur Net zero 2050 Coalition forcieren wollte. Eine Bewegung die in Deutschland als neues wirtschaftliches Erfolgsmodell verkauft wurde. Das um erfolgreich zu sein, weltweit Leute motivieren musste, sich emotional für etwas einzusetzen, was sie zwar verstehen, aber nicht im Detail. Damit ein IPCC Target Model noch theoretisch erreicht werden kann. Wenn die Bewegung weltweit Traktion zieht.
Und als Resultat kommst du dann zu Qualitätsmedien, die als die IEA dieses Jahr erstmalig einen global emissions peak in 2025 prognostizieren kann kommentieren - aber das ist nicht genug, wir bewegen uns immer noch im Bereich des IPCC 3,5 Grad Modells - es ist also kein Grund zu feiern.
Und alles woran ich denken kann ist, hier geht es mehr um die Sensibilisierung der Leute als um die Sensibilisierung der Politik.
An die ersten Mitarbeiter der Oppenheimer Funds die in Alpbach 2018 vor Greta “wir haben noch viel Arbeit vor uns, die meisten Investoren glauben immer noch sustainable investments seien Philanthropie” formuliert haben, wonach der kleine Raum des Fireside Talks in tosenden Applaus ausgebrochen ist.
An die Vertreter der DB die im April des Vorjahres keinen nennenswerten Anstieg im Interesse an sustainable Investments beobachten konnten.
An die Transitions-Szenarien der ING 2018, bei denen “freiwillige Reduktion” mengenmäßig immer nur ein Puffer und nie modellrelevant war.
Kam bei meiner Psychotherapeutin auch nicht gut an.
Diese Gesellschaft ist was sie ist. Demographie nehm ich an.
edit: Kontext:
Hans Werner Sinn hadert mit dem Verfassungsgerichtsurteil, und was aus ihm werden wird.
Kontext zu der Inflation Reduction Act ist nur “German Angst”: click