What we do is heroic, the other side does propaganda though

20. April 2022

Erin­nert sich hier noch wer an das Pro­fil Inter­view mit dem rus­si­schen Bot­schaf­ter?

Das, das zuerst únkommentiert (aber mit kri­ti­schen Nach­fra­gen ver­se­hen) erschie­nen ist? Wor­auf sich Armin Wolf gegen die offen gelas­se­nen non deni­al deni­als gestellt und einen Fak­ten­check ein­ge­for­dert hat?

Wor­auf die Redak­ti­on des pro­fil dann erst mal den Kol­ler bekom­men hat, sich danach selbst denun­ziert hat (“man habe ja nur ver­öf­fent­licht, um der Öffent­lich­keit zu ver­deut­li­chen wie rus­si­sche Pro­pa­gan­da funk­tio­niert” - ansons­ten hät­te man selbst­re­dend zensiert…)

Und dann nur vier Tage spä­ter nach­ge­reicht hat, wie rus­si­sche Pro­pa­gan­da im Inter­view wirk­lich funk­tio­niert, das dann aber in einem over­spe­ci­fic rebuttal?

Ich habs damals hier nicht auf­ge­grif­fen, da die For­mu­lie­rung des rus­si­schen Bot­schaf­ters bewusst wage (“ein Kran­ken­haus in Mariu­pol”) und die Gegen­dar­stel­lung des Pro­fil (“die­ses Kran­ken­haus in Mariu­pol hat­te einen Bom­ben­kra­ter vor der Tür”) bewusst über­spe­zi­fisch waren. Zu einem Zeit­punkt zu dem kei­ne Inter­na­tio­na­le Unter­su­chungs­kom­mis­si­on ein Ergeb­nis ver­laut­bart hat­te - der Teil hat sich mitt­ler­wei­le geän­dert, und es exis­tie­ren der OSZE zur Fol­ge nun glaub­haf­te Nach­wei­se: click (die drei OSZE Exper­ten waren nicht vor Ort und stüt­zen sich auf Beweis­ma­te­ri­al der ukrai­ni­schen Regie­rung sowie NGOs in dem Feld mit denen sie kom­mu­ni­zie­ren konnten) -

vor dem Hin­ter­grund, dass die WHO 150 Angrif­fe auf medi­zi­ni­sche Ein­rich­tun­gen in der Ukrai­ne doku­men­tiert hat - bei denen aus deren Daten­bank nicht ersicht­lich ist in wel­cher Stadt oder Regi­on sie ver­übt wur­den (wäh­rend bel­ling­cat in ihrer Daten­bank nur eine ande­re Health faci­li­ty in Mariu­pol gelis­tet haben (Daten­bank ist hier nicht kom­plett)), könn­ten die bei­den theo­re­tisch immer noch anein­an­der vor­bei­re­den -- aber die­se Argu­men­ta­ti­on war selbst mir zu shaky, also hab ichs damals gelassen.

Was ich jedoch nicht so ein­fach ver­kraf­te, ist der Impuls der Chef­re­dak­ti­on des Pro­fil sich selbst zu denun­zie­ren um die Ver­öf­fent­li­chung nach­fol­gend mit etwas zu recht­fer­ti­gen, was sie dann erst vier Tage spä­ter tun (den Fak­ten­check nach­lie­fern). Auch das impli­zier­te “das gehört ein­fach kom­plett zen­siert” (weil das ist ja Pro­pa­gan­da) berei­tet mir dezen­tes Krib­beln ent­lang des Rück­grads. Wie Wolf wäre ich näher an der Posi­ti­on ‘Ver­öf­fent­li­chen, aber kontextualisieren’.

Jetzt ist da aber schon wie­der was passiert…

Der Wal­lisch hat wie­der mal einen Arti­kel publiziert.

Hier in Auszügen:

War­um Kiews Diplo­ma­ten mit dras­ti­schen Wor­ten vor Russ­land warnen

Die Ver­bün­de­ten der Ukrai­ne soll­ten dabei hel­fen, dass die­ser Krieg nicht ver­ges­sen wird

Kon­fron­ta­ti­on, um Auf­merk­sam­keit zu erreichen

Was die­se kon­fron­ta­ti­ve Form der ukrai­ni­schen Diplo­ma­tie bezweckt, ist jeden­falls son­nen­klar: Auf­merk­sam­keit erzie­len, den Fin­ger in Wun­den legen, gegen das Ver­ges­sen und die Gleich­gül­tig­keit ankämp­fen. Das hat obers­te Prio­ri­tät – auch um den Preis zwi­schen­zeit­li­cher Irri­ta­ti­on. Um Aus­spra­che, Klä­rung, sogar Ver­söh­nung kann man sich spä­ter kümmern.

Denn in einem Fall hät­te die Ukrai­ne ihren Kampf ums Über­le­ben schon jetzt ver­lo­ren: wenn die Soli­da­ri­tät, die Waf­fen­hil­fe, das poli­ti­sche Enga­ge­ment für die Ver­tei­di­ger nach­las­sen wür­den; und womög­lich auch die Sank­tio­nen gegen den Aggres­sor. Das will, ja das muss Kiew verhindern.

Ja ich würd sagen, an der Stel­le soll­te man Pro­pa­gan­da in die Bericht­erstat­tung ein­bin­den oder etwa nicht?

Andrij Mel­nyk, der ukrai­ni­sche Bot­schaf­ter in Deutsch­land, ver­steckt sich schon seit Mona­ten nicht mehr hin­ter diplo­ma­ti­scher Ver­klau­su­lie­rung, son­dern spricht direkt aus, was aus Sicht der Ukrai­ne falsch läuft in der deut­schen Außen­po­li­tik. Er schreckt nicht davor zurück, die aus Kie­wer Sicht all­zu Russland-freundliche Poli­tik des vor­ma­li­gen Außen­mi­nis­ters und nun­meh­ri­gen Bun­des­prä­si­den­ten Frank-Walter Stein­mei­er anzu­pran­gern; eine Poli­tik, die letzt­lich den rus­si­schen Angriff auf die Ukrai­ne erst mög­lich gemacht habe. “Die Auf­ar­bei­tung kommt noch. Shame on you”, wet­ter­te der Diplo­mat in ver­blüf­fen­der, für man­che auch empö­ren­der Direktheit.

Andrij Mel­nyk wet­ter­te: “Die Auf­ar­bei­tung kommt noch. Shame on you.”

Völ­lig undi­plo­ma­tisch tritt auch der ukrai­ni­sche Bot­schaf­ter bei den Ver­ein­ten Natio­nen, Ser­gej Kys­lyzja, auf. Er sag­te zu Kriegs­be­ginn zu Was­si­li Nebens­ja, sei­nem rus­si­schen Gegen­über im UN-Sicherheitsrat: “Für Kriegs­ver­bre­cher gibt es kein Fege­feu­er. Sie fah­ren direkt zur Höl­le, Botschafter.”

Gut, den Teil bei dem Selen­skyj zum Sturz west­li­cher Regie­run­gen durch das Volk auf­ruft, das schon viel wei­ter wäre als die Regie­run­gen hat er aus­ge­las­sen - sie­he: click

Aber man darf den Leser nicht gleich überbeanspruchen…

Abwen­den darf kei­ne Opti­on sein

Es wäre ein Sün­den­fall der Ver­bün­de­ten der Ukrai­ne, wür­de die­ser Krieg all­mäh­lich aus dem Fokus unse­rer Auf­merk­sam­keit rücken; wür­de unse­re Betrof­fen­heit nach­las­sen; wür­de der Umstand unwi­der­spro­chen blei­ben, dass eine Bri­ga­de für offen­sicht­li­che Kriegs­ver­bre­chen vom Kreml geehrt wird.

Also in dem Fall Pro­pa­gan­da bit­te nicht zen­sie­ren, das hät­te dann ja uner­wünsch­te Aus­wir­kun­gen aufs Volk. Natür­lich mora­lisch begründet.

Wie jetzt Wider­spruch gegen die Ehrung von Kriegs­ver­bre­chern (bin ich dabei), mit Diplo­ma­ten­re­den zusam­men hängt, die davor gehal­ten wur­den, die dar­auf abzie­len den Adres­sa­ten emo­tio­nal nicht zu ver­ges­sen las­sen, das weiß der Wal­lisch auch, er muss ein­fach die Exis­tenz von Jour­na­lis­mus als Instanz aus­blen­den, und schon klappts. Weil, ver­öf­fent­li­chen, aber kon­tex­tua­li­sie­ren, das geht ja nicht mehr. Ent­we­der du bist hei­lig, oder du bist böse. Eit­her you are with us, or you are the enemy.

Der Arti­kel ist so gut, den muss man zur Gän­ze selbst gele­sen haben, um zu glau­ben was da drin steht.

edit: Beson­ders beliebt in die­sem Zusam­men­hang ist auch das obli­ga­to­ri­sche, ange­pinn­te “der Sün­den­fall pas­sier­te bereits 2014” Kom­men­tar, damit man sich die Zeit dazwi­schen nicht zu genau ansieht. Da wir ja alle wis­sen dass Krie­ge oft­mals die Fol­gen von Sün­den­fäl­len sind (*sarc*). Gera­de die katho­li­sche Kir­che kann ein Lied davon sin­gen. Moment, wo steht die eigent­lich im Moment? Ah.

edit2: Die Wie­ner­zei­tung erdreis­tet sich doch glatt dem zu wider­spre­chen. Na zum Glück liest die niemand.

edit3: Irgend­wie blöd, jetzt for­dert Khrush­che­va auf DW gera­de mehr diplo­ma­ti­sche Bezie­hun­gen zu Russ­land für den Fall dass das Land zukünf­tig wei­ter desta­bi­li­siert wird. Falls das ein­tre­ten soll­te, glaub ich, bekommt die gesam­te Pro­fil Redak­ti­on gleich noch­mal den Koller.









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