Journalistic believes

01. März 2023

Es wird ein­mal Zeit auf­zu­lis­ten wor­an die deutsch­spra­chi­ge Jour­na­lis­ten­schaft selbst so glaubt.

Ana­st­as­sia Boutsko (DW): Lei­chen­sä­cke in Mos­kau kön­nen für Putin doch noch zum Pro­blem wer­den und den Krieg beenden.

Also mal eben ein Ver­schwö­rungs­nar­ra­tiv, denn die US Füh­rung hat wie­der­holt und in offi­zi­el­lem messaging demen­tiert, dass dies eine Ziel­per­spek­ti­ve sei. Oder wenn schon kein Ver­schwö­rungs­nar­ra­tiv, dann ein “Deus Ex machi­na” - bei dem, wenn schon genug Leu­te ster­ben, das auch eine direk­te posi­ti­ve Aus­wir­kung auf Been­di­gung des Krie­ges haben wird.

Auch in der inter­nen Logik des Argu­ments nicht das bes­te Nar­ra­tiv, da immer noch ein Hard­li­ner auf Putin fol­gen könn­te. Dh. Desta­bi­li­sie­rung ohne Regi­me­chan­ge Vor­be­rei­tung - wird eher hei­kel. Wer für gewöhn­lich die poli­ti­sche Nach­fol­ge im Kreml regelt ist kein wirk­li­ches Geheimnis.

Andre­as Käh­ler (phoe­nix Mode­ra­tor): Wir müs­sen die Ukrai­ne unter­stüt­zen, da sich sonst der Krieg ausweitet.

Hypo­the­ti­cal. Defi­niert die Posi­ti­on der Ukrai­ne als Leu­te die für uns kämp­fen und ster­ben. Eben­falls kein offi­zi­el­les Narrativ.

Kat­rin Eigen­dorf (ZDF):

Also ich wür­de sagen, in der gan­zen Zeit, und ich habe die­sen Krieg ja seit Anfang an beglei­tet, haben die Men­schen dort ver­schie­de­ne Etap­pen durch­ge­macht, und die Etap­pe in der wir uns jetzt befin­den ist… 

[Ein­schub: Gesichts­aus­druck in dem Moment]
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- ein Land am Tief­punkt. Weil die Ukrai­ner haben natür­lich jetzt ver­stan­den, dass die Schre­cken die­ses Krie­ges nicht zu Ende sind, son­dern wei­ter gehen. Dass sie in ein wei­te­res Jahr des Krie­ges gehen. Und ich glau­be fast jeder Ukrai­ne, wenn nicht sogar jeder, hat Opfer gebracht, kennt Men­schen, die Gestor­ben sind. Hat Fami­lie ver­lo­ren [jeder sechs­te, aber hal­ten wir uns nicht mit Fak­ten auf] und dass das jetzt wei­ter gehen soll, ohne dass eine Per­spek­ti­ve erkenn­bar ist, ist natür­lich ein sehr, sehr bit­te­re Erkennt­nis. Auf der ande­ren Sei­te, was man posi­tiv sagen kann, sehen die Ukrai­ner natür­lich nach einem Jahr Krieg wie sehr der Wes­ten nach wie vor an ihrer Sei­te steht, also der Besuch von US Prä­si­dent Biden, in Kiew - ich war sel­ber auch da -

[Ein­schub: Gesichts­aus­druck in dem Moment]
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es ist von den Ukrai­nern schon wirk­lich gefei­ert worden 

[Ein­schub: Gesichts­aus­druck Schäub­le in dem Moment]
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als etwas was ihnen Rück­halt ver­mit­telt hat. Ich mei­ne, das sind natür­lich die gro­ßen Bil­der und es ist - die Ukrai­ner ver­ste­hen es natür­lich auch ent­spre­chend zu ver­mark­ten, aber nichts des­to trotz, das war so ein posi­ti­ves Zei­chen und auch was wir jetzt erlebt haben, dass nun end­lich mal Waf­fen gelie­fert wer­den, über die so lan­ge debat­tiert wur­de, das sind posi­ti­ve Zei­chen, nichts des­to Trotz, auch mili­tä­risch muss man sagen, ist die Ukrai­ne mitt­ler­wei­le am Tief­punkt ange­langt, also das müs­sen wir nicht beschö­ni­gen, was wir im Moment im Land erle­ben sind an eini­gen Fron­ten die bit­ters­ten und schlimms­ten Kämp­fe die man bis­her erlebt hat. Es gibt kei­ne offi­zi­el­len Zah­len über Opfer, aber was man sich als Repor­ter dort zusam­men­rei­men kann, wenn man ein­fach ein­mal hin­kuckt, kann man das nicht hoch genug ein­schät­zen was da an Tri­but gezahlt wird - auch an toten Sol­da­ten, also ich gebe mal ein Bei­spiel, ich war ich Char­kiw, in Char­kiw gibt es einen Rie­sen Fried­hof, da wer­den jeden Tag meh­re­re Sol­da­ten, die ein­fach aus der Front im Osten kom­men, begra­ben. Das sind Bil­der die jetzt nicht immer jedem prä­sent sind, aber die zei­gen natür­lich, das sind die Toten, und von den Ver­letz­ten reden wir noch gar­nicht. Was ich sel­ber bei den paar Besu­chen die ich gemacht habe an der Front erlebt habe, ist ein Krieg, also - den kann man sich nicht bit­ter genug vor­stel­len. Da sind teil­wei­se Sol­da­ten, die haben den rus­si­schen Angrei­fern nichts ent­ge­gen­zu­set­zen, außer ihre Kalasch­ni­kow - und wer­den da manch­mal auch ein­fach über­rannt. Und die­se Rea­li­tät, ja - vor der Steht die Ukrai­ne jetzt, und es ist die Fra­ge, ja - wie lan­ge wird das noch dauern.”

Mode­ra­tor: “Ist es denk­bar, dass die Ukrai­ne die­sen Krieg auch verliert?”

Ja, ich glau­be wir müs­sen defi­nie­ren, was heißt gewin­nen und ver­lie­ren, so wie ich die Ukrai­ner, und das ist natür­lich nur eine Moment­auf­nah­me, erle­be - wer­den sie nicht zurück­wei­chen. Also die Ent­schlos­sen­heit, der brei­ten Mas­se der Bevöl­ke­rung die­sen Krieg wei­ter zu füh­ren, auch mit allen Opfern, ehm - ist sehr groß. Und jetzt ist Prä­si­dent Selen­skyj jemand der das natür­lich auch sehr schön zu ver­kau­fen weiß - er hat ja gesagt - and die Rus­sen gerich­tet, wir ster­ben lie­ber, als dass wir unter eurer Besat­zung leben, mit Ver­ge­wal­ti­gung und Mord und Ent­füh­rung von Kin­dern. Aber das stimmt. Das ist das Gefühl das ich glau­be dass vie­le, oder die gro­ße Mas­se der Ukrai­ner haben. Sie wol­len nicht unter rus­si­scher Herr­schaft leben, weil sie wis­sen ein­fach was das bedeutet.”
Mode­ra­tor: Du hast von einem sol­chen Ort berich­tet, näm­lich von Butscha, und das war sozu­sa­gen eine wie­der­erober­te Stadt, kannst du uns schil­dern, was für einen Ein­druck du von die­ser Stadt hast, als du ankamst. 

[Den Gesichts­aus­druck pos­te ich mal nicht, es ist Wie­der­erle­ben ech­ten Schocks.]

Also das war ja die ers­te Stadt die - im Prin­zip, wo wir erlebt haben, was pas­siert ist. Wo wir sehen konn­ten, was haben rus­si­sche Söld­ner, rus­si­sche Sol­da­ten dort gemacht. Und für mich war das mit eines der schlimms­ten Erleb­nis­se, die ich in mei­ner Lauf­bahn as Jour­na­lis­tin erlebt habe, und ich habe schon über eini­ge Krie­ge und Kri­sen berich­tet. Zu sehen, dass man Zivi­lis­ten ein­fach mit­ten auf der Stra­ße hin­rich­tet, Men­schen in irgend­wel­che Gru­ben schmeißt - ein kom­plet­te zer­stör­te Innen­stadt ein­fach mut­wil­lig zer­stört zurück­lässt, dass Sol­da­ten und Söld­ner durch die Häu­ser gezo­gen sind und dort ran­da­liert und vanda- sich wie Van­da­len auf­ge­führt haben, Frau­en vor den Augen ihrer Fami­lie ver­ge­wal­tigt haben [Kon­text], das alles ist in Butscha klar gewor­den dass das pas­siert, und das hat mir gezeigt, wel­cher Natur die­ser Krieg ist, das ist näm­lich ein Krieg, da geht es um viel viel mehr, als die Erobe­rung von Ter­ri­to­ri­um, das ist ein Ver­nich­tungs­krieg, gegen ein Volk. Das ist ein Ver­nich­tungs­krieg gegen das ukrai­ni­sche Volk. Und das ist glaub ich jedem klar, der Butscha gese­hen hat.

Kurz­ge­fasst: Eigen­dorf: Ich hab kei­ne Ahnung, ich ver­such mich da wäh­rend ich embed­ded Jour­na­lism mache durch­zu­füh­len, und was mich in einer Selen­skyj Anspra­che berührt hat, die Aus­sa­ge - die Ukrai­ner wür­den schon ger­ne ster­ben, ist glaub ich die Wahr­heit, die ich auch in der Bevöl­ke­rung füh­le. Außer­dem kann ich super vom Gefühl her von Butscha auf alle besetz­ten Gebie­te extra­po­lie­ren, und behaup­te Völ­ker­mord (Hin­ter­grund (nicht nur eine juris­ti­sche, auch eine poli­ti­sche Fra­ge)), weil mit das ein­leuch­tend erscheint.

Danach kommt noch so ein ungu­ter Teil, in dem das alles eine Eigen­heit der rus­si­schen Armee und ihrer Kriegs­füh­rung gene­rell sei, denn du Rus­sen trän­ken ja so viel, und ran­da­lier­ten und - den lass ich mal weg. (Und wer­den von ihren Aus­bil­dern geschla­gen, und in den Tod geschickt.)

Was bringt an der Stel­le jetzt die Per­spek­ti­ve von jeman­dem wie mir der genau dar­in - die Aus­wir­kun­gen von Null Dis­kurs, aber mas­sen­haft Pro­pa­gan­da sieht.

Jeder Jour­na­list legt sich die Wirk­lich­keit zurecht mit der er am Bes­ten zurecht kommt.

Und die mit dem meis­ten emo­tio­na­li­sier­ten Flos­keln, die, die ver­sucht ihre Ratio emo­tio­nal auf­zu­bau­en - qua­si Wirk­lich­keit zu “erfüh­len” -

die beleg­bar in der Ver­gan­gen­heit von der ukrai­ni­schen Pro­pa­gan­da für Messaging benutzt wor­den ist -

die Jour­na­lis­tin bekommt aktu­ell die meis­ten Journalistenpreise -

(Hanns-Joachim-Friedrichs Preis (2021), Grim­me Preis (2023), Jour­na­lis­tin des Jah­res 2022 (Medi­um Maga­zin), Lübcke-Demokratie-Preis (2022))

und öffent­li­chen Zulauf.

Mir wird bei soet­was der­ma­ßen KOTZÜBEL - dass ich das nicht rezi­piert bekom­me. (Habe wie­der abbre­chen müssen.)

Es ist der sel­be gro­tes­ke, emo­tio­na­le Over­flow, zur Schau gestell­tes mora­li­sches Bra­va­do - anhand des­sen sich nur die Dümms­ten der Dum­men eine Mei­nung bilden.

Die Absur­di­tät des öffent­li­chen Schau­spiels hier, steht dem was in der Pauls­kir­che abge­lau­fen ist, um kei­nen Deut nach.

Jetzt mal abge­se­hen vom Inhalt.

Ein Jour­na­list meint die Ukrai­ner ster­ben für uns, und das muss jetzt so sein, damit sich der Krieg nicht aus­wei­te, eine glaubt die Ster­ben für Lei­chen­sä­cke in Russ­land die den Krieg been­den kön­nen, und eine glaubt die Ster­ben für Idea­le, ein Kon­zept von fast ely­si­scher Natio­na­li­tät, oder eine kon­zep­tua­le Struk­tur wie euro­päi­sche Demo­kra­tie, und weil sie gegen das Böse kämp­fen, oder den Erhalt einer Ethnie.

Das ist Jour­na­lis­mus die­ser Tage.

Fak­ten spie­len hier kei­ne Rol­le, jeder formt sich nach State­ments die er/sie auf­ge­schnappt hat eine durch nichts beleg­ba­re Rea­li­täts­vor­stel­lung - und weil das seine/ihre eige­ne ist, sind wir dann beson­ders stolz dar­auf und noch stär­ker bereit sie zu verteidigen.

Man­gels Defi­ni­ti­on wel­che Zie­le wir eigent­lich poli­tisch und mili­tä­risch ver­fol­gen - kannst du prak­tisch an alles glauben.

In die­sen emo­tio­nal auf­ge­la­de­nen Ent­schei­dungs­räu­men wird aus Pro­pa­gan­da­sicht nur eines wich­tig - zu defi­nie­ren wel­che Posi­tio­nen man nicht ein­neh­men darf.

Die der bra­si­lia­ni­schen Regie­rung beispielsweise -

Posi­tio­nen die zu kri­tisch sind, oder ana­ly­tisch, dh. bei­spiels­wei­se auf die glo­ba­len Aus­wir­kun­gen des Krie­ges als eine Form von Leid abzie­len die alles was die Ukrai­ner der­zeit erle­ben noch poten­zie­ren wird, sind gesell­schaft­lich nicht zuge­las­sen - denn sobald wir unse­re Rea­li­tä­ten debat­tier­ten, wür­de Leu­ten auf­fal­len, dass sich ihre Über­zeu­gun­gen nicht im gerings­ten decken.

Im Fal­le von Eigen­dorf nicht mal von einem Satz zum nächs­ten. Da ist gefühlt ein­fach alles richtig.

Jeder darf sich sei­ne eige­ne Vor­stel­lung davon bil­den, war­um er oder sie einer nor­ma­ti­ven Über­zeu­gung ist, die aber nicht zu kri­tisch sein soll­te. Das - funk­tio­niert immer noch am Besten.









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