Neu in der Journalismus Toolbox

29. März 2022

Bezieh dich als Jour­na­list mit Ver­wei­sen, die ihrer­seits Spe­ku­la­tio­nen sind, auf einen Exper­ten (Timo­thy D. Sny­der), der sei­ner­seits “The­sen” dazu sagt - und ver­brei­te den kom­plet­ten “der Geg­ner ist unfä­hig”, “und wir sind viel fähi­ger als der Geg­ner dach­te” Teil der “Gerüch­te” die effek­tiv (Wirk­me­cha­nis­mus, Popu­la­ri­sie­rung) näher bei Pro­pa­gan­da (nicht unbe­dingt im Sin­ne von falsch (schwer beleg­bar), aber einen “Effekt suchend”) dran sind als bei irgend etwas ande­rem, im Jour­na­lis­mus als Expertenmeinung.

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The­se: Wla­di­mir Putin hat die Eigen­staat­lich­keit der Ukrai­ne mas­siv unterschätzt.

Pro­blem: The­se nicht prüf­bar, direk­ter Per­so­nen­be­zug auf eine Ein­zel­per­son. Nichts aus­de­fi­niert, metho­disch frag­wür­dig, Erkennt­nis­in­ter­es­se frag­lich, Objek­ti­vier­bar­keit nicht gege­ben, nicht wis­sen­schaft­lich. Und dann hilft es uns aktu­ell noch dazu kein Stück weiter.

The­se: Die Inva­si­on war nur mit weni­gen Men­schen abgesprochen.

Pro­blem: Tru­ism, wird in Tei­len von nach­fol­gen­den Erklä­run­gen wider­legt. Nicht exakt definiert, …

The­se: Putin hat nicht mit so har­ten Sank­tio­nen des Wes­tens gerechnet.

Pro­blem: The­se nicht prüf­bar, direk­ter Per­so­nen­be­zug auf eine Ein­zel­per­son. Nichts aus­de­fi­niert, metho­disch frag­wür­dig, Erkennt­nis­in­ter­es­se frag­lich, Objek­ti­vier­bar­keit nicht gege­ben, nicht wissenschaftlich.

Gut, soweit wird der Redak­teur nicht gedacht haben, bevor er den Arti­kel geschrie­ben hat. Also hat er wahr­schein­lich erst mal eine Quel­len­prü­fung gemacht.

Bloo­d­lands recei­ved reviews ran­ging from high­ly cri­ti­cal to “rap­tur­ous”.[18][19] In asses­sing the­se reviews, Jac­ques Séme­lin descri­bed it as one of tho­se books that “chan­ge the way we look at a peri­od in histo­ry”.[19] Séme­lin noted that some his­to­ri­ans have cri­ti­ci­zed the chro­no­lo­gi­cal con­struc­tion of events, the arbi­tra­ry geo­gra­phi­cal deli­mi­ta­ti­on, Snyder’s num­bers on vic­tims and vio­lence, and a lack of focus on inter­ac­tions bet­ween dif­fe­rent actors.[19] Omer Bar­tov wro­te that “the book pres­ents no new evi­dence and makes no new argu­ments”,[20] and in a high­ly cri­ti­cal review Richard Evans wro­te that, becau­se of its lack of cau­sal argu­ment, “Snyder’s book is of no use”, and that Sny­der “has­n’t real­ly mas­te­red the volu­min­ous lite­ra­tu­re on Hitler’s Ger­ma­ny”, which “leads him into error in a num­ber of pla­ces” regar­ding the poli­tics of Nazi Ger­ma­ny.[21] On the other hand, Wen­dy Lower wro­te that it was a “mas­ter­ful syn­the­sis”,[22] John Con­nel­ly cal­led it “moral­ly infor­med scho­l­ar­s­hip of the hig­hest calibre”,[23] and Chris­to­pher Brow­ning descri­bed it as “stun­ning”.[18]

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Ok, der Yale Pro­fes­sor ist nicht so ganz über­zeu­gend dar­in neue Erkennt­nis­se in sei­nem Feld zu gene­rie­ren, aber er macht das dadurch wett dass er dar­in “moral­ly infor­med scho­l­ar­s­hip of the hig­hest calibre” zu gene­rie­ren, alle ande­ren übertrifft.

Na gut, zumin­dest ist er als wis­sen­schaft­li­cher Exper­te unab­hän­gig und kann einen neu­tra­len Blick auf die Sach­la­ge werfen…

Views on Putin

In The Road to Unfree­dom, Sny­der argues that Vla­di­mir Putin’s regime in Rus­sia is aut­ho­ri­ta­ri­an, and that it uses fascist ide­as in its rhe­to­ric.[32] In Decem­ber 2018, during a dis­cus­sion with a fel­low his­to­ri­an of Eas­tern Euro­pe, John Con­nel­ly, Sny­der refer­red to this as schizo-fascism:

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Schizo-Faschismus? Nagut, der Begriff muss sich erst noch ein wenig ein­spie­len, in ein zwei Jah­ren bezeich­nen wir Russ­lands Staats­form alle so. (Unab­hän­gig davon, dass der Begriff Schi­zo­phre­nie hier in einer vor­ur­teils­ge­präg­ten, popu­lä­ren Aus­le­gung gefah­ren wird.)

Aber sonst ist er ein unbe­schrie­be­nes Blatt und nicht vor allem einer Frak­ti­on zuordenbar…

Die Ber­li­ner Poli­tik­sze­ne traf sich mit Timo­thy Sny­der, einem der füh­ren­den ame­ri­ka­ni­schen His­to­ri­ker und öffent­li­chen Intel­lek­tu­el­len. Es war eine Gele­gen­heit, über sein neu­es­tes Buch „Road to Unfree­dom“ und des­sen mög­li­che Aus­wir­kun­gen auf die poli­ti­sche Pra­xis zu spre­chen. Die Ver­an­stal­tung wur­de gemein­sam vom Ger­man Mar­shall Fund of the United Sta­tes und Das Pro­gres­si­ve Zen­trum organisiert.

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Na gut, also er lässt sich schon mal von trans­at­lan­ti­schen Freund­schafts­in­itia­ti­ven auf eine Book­tour ein­la­den, aber er wird wohl zumin­dest gut argu­men­tiert haben!

Seit Kriegs­be­ginn hat der ukrai­ni­sche Prä­si­dent Wolo­dym­yr Selen­skyj dem Wider­stand gegen die rus­si­sche Mili­tär­ma­schi­ne­rie ein Gesicht gege­ben. Auch aus dem von der Kreml-Propaganda her­bei­ge­sehn­ten, freu­di­gen Emp­fang für die an der “Spe­zi­al­ope­ra­ti­on” betei­lig­ten rus­si­schen Trup­pen in der Ukrai­ne wur­de bekannt­lich nichts. Die Inva­si­on hat das Natio­nal­be­wusst­sein der Ukrai­ne stär­ker gefes­tigt, als es zu Frie­dens­zei­ten je mög­lich gewe­sen wäre.

Selen­skyj der dem Wider­stand ein Gesicht gege­ben hat belegt oder bedeu­tet was? Der freu­di­ge Emp­fang für die “Spe­zi­al­ope­ra­ti­on” in der Kreml Pro­pa­gan­da, hat in der Kreml Pro­pa­gan­da statt­ge­fun­den. Das er “bekannt­lich nicht statt­ge­fun­den hät­te”, bezieht sich inhalt­lich eher auf eine von Selen­skyj als Tal­king­point ein­ge­brach­te Para­de­uni­form, die bei Sol­da­ten gefun­den wor­den sei, oder auf Leu­te die nicht in den Stra­ßen geju­belt haben, da zuvor die all­ge­mei­ne Mobil­ma­chung aus­ge­ru­fen wur­de? Oder dar­auf dass die Gefech­te um Städ­te deut­lich blu­ti­ger aus­ge­fal­len sind als “von der Pro­pa­gan­da erhofft”? Der zwei­fel­haf­te Vor­teil an Pro­pa­gan­da ist näm­lich, dass man nicht war­ten muss, bis etwas in der Wirk­lich­keit pas­siert, son­dern pro­du­ziert. Der letz­te Satz ist dann auf­grund der For­mu­lie­rung Schwach­sinn - aber inhalt­lich wahr­schein­lich noch am ehes­ten tragfähig.

Am Wochen­en­de kur­sier­ten Gerüch­te, wonach Russ­lands Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Ser­gej Schoi­gu nicht frei­wil­lig zwei Wochen lang aus der Öffent­lich­keit ver­schwun­den war. Er soll nach einem Rüf­fel durch Putin einen Herz­in­farkt erlit­ten haben. Ganz gleich, ob die­se medi­zi­ni­sche Fern­dia­gno­se zutrifft oder als Pro­pa­gan­da fir­miert: Es läuft nicht mehr rund im Kreml. Sny­der geht davon aus, dass Putin mitt­ler­wei­le gele­ak­ten Geheim­dienst­in­for­ma­tio­nen die Schuld dar­an gibt, dass die Ukrai­ne so gut auf den Über­fall vor­be­rei­tet war. Ser­gej Bese­da, Chef der inter­na­tio­na­len Spio­na­ge beim Geheim­dienst FSB, soll unter Haus­ar­rest ste­hen – was Sny­ders The­se erhär­ten würde. 

Nichts davon ist prüf­bar. Mehr noch, nichts davon ist Sny­ders The­se - sie­he: click Ori­gi­nal­quel­le ist ein Inter­net Gerücht, oder ein Report der Times (konn­te die Times Quel­le nicht verifizieren).

Eigent­lich, so Sny­der, hät­te Russ­land schon nach zwei Tagen eine Mario­net­ten­re­gie­rung in Kiew instal­lie­ren wol­len – und mit die­ser dann bequem ver­han­deln. Nun muss es mit durch­aus selbst­be­wuss­ten Selenskyj-Vertretern spre­chen. Sogar der rus­si­sche Olig­arch Roman Abra­mo­witsch sitzt als Ver­mitt­ler jetzt mit am Tisch. Putin hat nicht nur die Ukrai­ne, son­dern auch den Wes­ten unter­schätzt. Sei­ne Inva­si­on steckt auch des­halb fest, weil sich die USA und Euro­pa einig wie sel­ten zuvor gezeigt haben.

Nichts davon ist prüf­bar, oder objek­ti­vier­bar - das meis­te ist pos­tu­liert, mit einer emo­tio­na­li­sier­ten Prä­gung on top. Das Haupt­ar­gu­ment bezieht sich ent­we­der auf einen Tal­king­point Selen­sky­js (Sol­da­ten hat­ten Para­de­uni­for­men dabei), oder auf den depu­bli­zier­ten Ria Arti­kel. Ers­te­res ist ein ver­gleichs­wei­se neu­er ukrai­ni­scher Tal­king­point (seit weni­ger als einer Woche), zwei­te­res zumin­dest in Tei­len hin­ter­frag­bar (nicht dass es jemand machen wür­de 😉 ). Da stark auf Hyper­beln auf­bau­end, stark pos­tu­lie­rend, stark Reak­tio­nen pro­gnos­ti­zie­rend die noch nicht ein­ge­tre­ten sind, dh. auf jeden Fall vor­ge­schrie­ben, aber eher nicht um ein offi­zi­el­les Nar­ra­tiv zu eta­blie­ren, son­dern eher um es zu stüt­zen. Vor­pro­du­zier­ter Fla­vor­text für einen schnel­len Sieg.
Vor­pro­du­zier­te Mel­dun­gen sind im Agen­tur­we­sen jetzt nicht voll­kom­men unge­wöhn­lich. Dass die Stra­te­gie, die nur einem sehr klei­nen Zir­kel an Leu­ten bekannt war, bis zu einem Zeit­ge­sche­hen­kom­men­ta­tor von RIA durch­ge­si­ckert ist… scheint mög­lich, aber nicht not­wen­di­ger­wei­se gesi­chert. Auch hier bleibts bei einem (sehr popu­lä­ren, und nicht unwahr­schein­li­chen aber doch) Gerücht. 

(Zusatz: Sich öffent­lich und pla­ka­tiv dar­über zu freu­en, dass es nicht ein­ge­tre­ten ist, ist zwar demo­kra­tie­po­li­tisch wün­schens­wert und wesent­lich (von etwai­gen sicher­heits­po­li­ti­schen Aus­wir­kun­gen die ein “schnel­ler rus­si­scher Erfolg” gehabt hät­te ganz zu schwei­gen), aber eben­falls ein Stück weit ambi­va­lent zu betrach­ten. Und wenn nicht nach dem ers­ten Monat eines Zer­mür­bungs­kriegs, viel­leicht nach dem zweiten.)

All das hier sind eben­falls Spiel­for­men von Pro­pa­gan­da. Oder sagen wir es neu­tra­ler, die Eta­blie­rung nicht über­prüf­ba­rer Gerüch­te als Epis­te­me, des immer schon so Gewe­se­nen, sogar der Yale His­to­ri­ker habe es auf­ge­grif­fen (in Hypo­the­sen, die kei­ne sind) - und der Jour­na­lis­mus bringt es unre­flek­tiert. Über­nimmt Emo­tio­na­li­sie­rung, Pathos, Duk­tus, Fehler, …

Jour­na­lis­mus hier macht eigent­lich nichts ande­res außer das trans­por­tier­te Gerücht etwas kom­pak­ter zu fassen.

Dem nor­ma­len Leser ist sowas wei­test­ge­hend egal, als jemand der das mal stu­diert hat, siehst du halt - wie alle jour­na­lis­ti­schen Qua­li­täts­kri­te­ri­en auf ein­mal ver­sa­gen… 🙂 Kom­men­tar mit Nach­richt ver­mischt wird. Wis­sen­schaft­lich­keit behaup­tet wird. Yale Qua­li­tät sug­ge­rie­ren soll… Und weit und breit kein ana­ly­ti­scher oder - Gott bewah­re - kri­ti­scher Betrach­tungs­an­satz zu fin­den ist. Aber eigent­lich wäre das (die Prü­fung von Inhal­ten) immer noch eine Auf­ga­be von Journalismus.

Wie könn­te man das jetzt bes­ser zusam­men­fas­sen, als mit einem Kom­men­tar Sny­ders der sich “theo­lo­gi­scher Ope­ra­to­ren” bedient um mora­li­sche Argu­men­ta­tio­nen zu bau­en? Sny­der bezieht sich hier auf einen CNN Kommentar.

For the past deca­de, Ukrai­ni­ans have cho­sen an uncer­tain future over the myth of a past great­ness based on blood ties. In doing so, the coun­try has cea­sed to be legi­ble to Putin and Rus­si­ans who sup­port him.”
@aglaser
#Ukrai­ne #Ukrai­ne­Rus­sia­War

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Nato­bei­tritt in der Ver­fas­sung. Völ­ki­sche inter­pre­ta­ti­on, reli­giö­se Kon­no­ta­ti­on (hardship over whats wrong), dann “Blood and honor” Rhe­to­rik als Gegen­pol (Flag­ge, oder in der rus­si­schen Pro­pa­gan­daum­for­mung Natio­na­lis­mus, gegen “Bluts­ban­de”). Soweit so loa­ded, aber noch nicht unbe­dingt falsch -- jetzt kommt noch theo­lo­gi­sche Spra­che -- indem die Ukrai­ner “hardship over whats wrong” gewählt haben, wur­den sie für Putin (das Böse) unles­bar (haben sich sei­nem Blick und Ein­fluss ent­zo­gen - der Teu­fel Putin sieht sie nicht mehr, und kann sie nicht mehr ver­ste­hen) - und dann das PR Pos­tu­lat, nicht nur wur­den sie für Putin unles­bar, son­dern auch für alle Rus­sen, die sich auf Putin bezie­hen. Was das bedeu­tet? Kei­ne Ahnung, aber ein Auf­ruf zur Frag­men­ta­ri­sie­rung (Böse Rus­sen die Putin fol­gen und das Gute nicht mehr sehen kön­nen, weil es den Weg des Lei­des ein­ge­schla­gen hat) ist da impli­zit drin­nen. Jetzt erin­nern wir uns noch an die Rede Selen­sky­js auf rus­sisch an das rus­si­sche Volk (click), zwei Stun­den vor der Groß­in­va­si­on, und wir sehen, dass das Wirk­mo­tiv (“The­me”) die­ser Aus­sa­ge (= Frag­men­tie­rung) von Tag eins des Krie­ges im west­li­chen PR Kanon prä­sent war.

Sowas musst du jetzt natür­lich als Yale His­to­ri­ker mit vom G.M.F gespon­ser­ten Book­tours von CNN ret­wee­ten… Wobei du das Zitat wählst.

So baut man aus Nichts Nar­ra­ti­ve - die dann magi­scher­wei­se im Stan­dard als Epis­te­me (offi­zi­ell abge­seg­ne­te (Yale!) Erklä­rungs­mus­ter) enden.
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edit: Der Stan­dard schiebt noch mal ordent­lich nach. Dies­mal hat er einen “Geo­po­li­ti­ker” (was?) gefun­den, der die sel­ben Pro­kla­ma­tio­nen wie­der­holt. Und Wie­der­ho­lung ist wich­tig, sonst set­zen sich die mitt­les Spe­ku­la­ti­on kre­ierten Epis­te­me nicht fest.

STANDARD: Wie konn­te es so weit kommen?

Toal: Man glaub­te irgend­wann die eige­ne Pro­pa­gan­da. Man glaub­te, dass die ukrai­ni­sche Regie­rung im Wesent­li­chen eine west­li­che Mario­net­ten­re­gie­rung ist und von west­li­chen NGOs finan­ziert wird. Dass die Regie­rung kei­ne popu­lä­re Legi­ti­mi­tät habe und zusam­men­bre­chen wer­de, sobald die hel­den­haf­ten Rus­sen kom­men und ver­su­chen, das wah­re ukrai­ni­sche Volk von den beson­de­ren Visio­nen der ukrai­ni­schen Faschis­ten und ihrer ame­ri­ka­ni­schen Ver­bün­de­ten zu befreien.

Find ich auch, irgend­wann glaubt man die eige­nen erfun­de­nen Episteme…

Wir sind zudem wie­der bei einem wahn­sin­ni­ge Akteu­re Nar­ra­tiv, wahn­sin­nig, da sie die eige­ne PR glau­ben, und dass die ukrai­ni­sche Regie­rung von west­li­chen NGOs finan­ziert wor­den wäre. (Hin­ter­grund: click und click). Dann wird noch der Glau­be an einen schnel­len Zusam­men­bruchs der Regie­rung als “kom­plett wider­sin­nig” ver­brei­tet, dar­an kön­nen nur ent­rück­te, emo­tio­nal reagie­ren­de Poten­ta­ten glau­ben - wäh­rend das gleich­zei­tig mit fol­gen­der Aus­sa­ge kon­ter­ka­riert wird:

Zwei­tens ist ziem­lich klar, dass er schlech­te Infor­ma­tio­nen von den Geheim­diens­ten erhal­ten hat, wie man auch der Ver­haf­tung jener FSB-Beamten ent­neh­men kann, die die Inva­si­on vor­be­rei­ten sollten.

Bis man dann end­lich bei 

STANDARD: Was prägt Putins Verhalten?

lan­det und die Geschich­te der per­sön­li­chen Prä­gung Putins durch sei­ne Erleb­nis­se in Ost­deutsch­land erzäh­len kann. Die Ernied­ri­gung. Die Verlusterfahrung

- und nur dess­halb haben wir jetzt Krieg. Verstanden?

Dann kommt noch schnell das “Regi­me­chan­ge” Nar­ra­tiv (hier: “im Sin­ne der West­mäch­te”, nicht der US), dies­mal sogar detail­liert ausgearbeitet,

STANDARD: Was besorgt Sie aktu­ell am meisten?

Toal: Es ist die­se Art Visi­on von Gebie­ten ohne läs­ti­ge Men­schen. Sie erobern Gebie­te, aber ver­drän­gen gleich­zei­tig die Men­schen, die dort leben. Das ist eine beson­ders beängs­ti­gen­de Visi­on eines ter­ri­to­ria­len Expan­sio­nis­mus, der kei­ner­lei legi­ti­me Legi­ti­mi­tät hat. Und das wird noch span­nend in etwai­gen Frie­dens­ver­hand­lun­gen, wenn sich die Ukrai­ne in einer Patt­si­tua­ti­on befin­den soll­te und in irgend­ei­ner Wei­se bereit wäre, ter­ri­to­ria­le Zuge­ständ­nis­se zu machen. Was die Ukrai­ne unter Zwang zustimmt, wird die west­li­che Welt jedoch nicht zwangs­läu­fig akzep­tie­ren wol­len und daher auch die Sank­tio­nen nicht auf­he­ben. Gleich­zei­tig muss mög­li­cher­wei­se aber das Ende von Sank­tio­nen in Aus­sicht gestellt wer­den um Anrei­ze für den rus­si­schen Staat zu schaf­fen, den Krieg ein­zu­stel­len. Und so kann es zu einer Kluft kom­men zwi­schen dem, was die ukrai­ni­sche Regie­rung bereit ist zuzu­ge­ben, um den Krieg zu been­den, und dem, was die West­mäch­te zuge­ben wollen.

Regi­me­chan­ge, folgt also qua­si ganz natür­lich um die­ses Dilem­ma auf­zu­lö­sen. In ver­mut­lich mehr als zwei Jah­ren, aber wenn wir uns ganz fest die Dau­men drü­cken bereits 2024.

- erneut, jeder ein­zel­ne Aspekt basiert auf Spe­ku­la­tio­nen, die zu Epis­te­men sti­li­siert wur­den. Und dann durch Wie­der­ho­lung zur all­ge­mein aner­kann­ten Wahr­heit werden.
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Und das geht jetzt jeden Tag so wei­ter, denn so macht man das. Manu­fac­tu­ring con­sent nach Chomsky.

The mass media ser­ve as a sys­tem for com­mu­ni­ca­ting messages and sym­bols to the gene­ral popu­lace. It is their func­tion to amu­se, enter­tain, and inform, and to incul­ca­te indi­vi­du­als with the values, beliefs, and codes of beha­vi­or that will inte­gra­te them into the insti­tu­tio­nal struc­tures of the lar­ger socie­ty. In a world of con­cen­tra­ted wealth and major con­flicts of class inte­rest, to ful­fill this role requi­res sys­te­ma­tic propaganda.

In coun­tries whe­re the levers of power are in the hands of a sta­te bureau­cra­cy, the mono­po­listic con­trol over the media, often sup­ple­men­ted by offi­cial cen­sor­s­hip, makes it clear that the media ser­ve the ends of a domi­nant eli­te. It is much more dif­fi­cult to see a pro­pa­gan­da sys­tem at work whe­re the media are pri­va­te and for­mal cen­sor­s­hip is absent. This is espe­cial­ly true whe­re the media actively com­pe­te, perio­di­cal­ly attack and expo­se cor­po­ra­te and govern­men­tal mal­fea­sance, and aggres­si­ve­ly por­tray them­sel­ves as spo­kes­men for free speech and the gene­ral com­mu­ni­ty inte­rest. What is not evi­dent (and remains undis­cus­sed in the media) is the limi­ted natu­re of such cri­ti­ques, as well as the huge ine­qua­li­ty in com­mand of resour­ces, and its effect both on access to a pri­va­te media sys­tem and on its beha­vi­or and performance.

A pro­pa­gan­da model focu­ses on this ine­qua­li­ty of wealth and power and its mul­ti­le­vel effects on mass-media inte­rests and choices. It traces the rou­tes by which money and power are able to fil­ter out the news fit to print, mar­gi­na­li­ze dis­sent, and allow the government and domi­nant pri­va­te inte­rests to get their messages across to the public. The essen­ti­al ingre­dients of our pro­pa­gan­da model, or set of news “fil­ters,” fall under the fol­lowing hea­dings: (I) the size, con­cen­tra­ted owners­hip, owner wealth, and pro­fit ori­en­ta­ti­on of the domi­nant mass-media firms; (~) adver­ti­sing as the pri­ma­ry inco­me source of the mass media; (3) the reli­an­ce of the media on infor­ma­ti­on pro­vi­ded by government, busi­ness, and “experts” fun­ded and appro­ved by the­se pri­ma­ry sources and agents of power;[…]

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Wer ist eigent­lich die­ser “Geo­po­li­ti­ker” den der Stan­dard hier inter­viewt hat?

Ger­hard Toal, Vir­gi­nia Tech, Mer­shon Cen­ter for inter­na­tio­nal secu­ri­ty studies.

Dies­mal kei­ne unmit­tel­ba­re Think Tank Nähe, ordent­li­che insti­tu­tio­nel­le Lauf­bahn, … Er spricht von einer bestimm­ten “domi­nan­ten Kon­zep­ti­on” der Mai­dan 2014 Pro­tes­te im Wes­ten die nicht die kom­plet­te Kom­ple­xi­tät der Vor­gän­ge wider­spie­ge­le, …” “Kein Coup, aber das war die domi­na­te Wahr­neh­mung der rus­si­schen Sicher­heits­ap­pa­rats, der Vic­to­ria Nuland in der Ukrai­ne beim Kek­se ver­tei­len beob­ach­ten konn­te” (sie­he: click).
(Star­tet im ein­ge­bet­te­ten You­tube Video bei 17:30min in.)

Wait what? Und wie bekom­men wir das jetzt mit “und was war Putins Moti­va­ti­on durch per­sön­li­che Prä­gung” zusammen?

Ach­ja, gar­nicht - aber dafür hat man ja Medi­en die es dar­auf ver­kür­zen kön­nen. Oder alter­na­tiv dar­über spe­ku­lie­ren, was sich Putin, der rus­si­sche Sicher­heits­ap­pa­rat oder sonst wer gedacht haben könn­te (Geo­po­li­tik soll das aber trotz­dem sein.), und die dar­aus die “domi­nan­te Kon­zep­ti­on” von Wirk­lich­keit bas­teln. Und mit jeder Repe­ti­ti­on wird es ein Stück weit wahrer.

Komisch, Ger­hard Toal ist eben­falls der Mei­nung, dass der “hier ging es nicht um die Nato” Stand­punkt falsch ist (“Wenn ein Staat etwas unun­ter­bro­chen und wider­holt erwähnt, dann ist das als Daten­punkt zu wer­ten.”) -- da kann man dem Stan­dard nur gra­tu­lie­ren, dass er bei “Mai­dan war kom­ple­xer, und die popu­lä­re west­li­che Kon­zep­ti­on ist zu ver­ein­facht”, “Rus­si­sche Sicher­heits­diens­te haben die Vor­komm­nis­se als Coup auf­ge­fasst, auch wenn es kei­ner war” und “die Nato Ost­erwei­te­rung hat eine essen­ti­el­le Rol­le gespielt” mit dem sager “Putin hat sei­ne eige­ne Pro­pa­gan­da geglaubt und ist emo­tio­nal moti­viert (per­sön­li­che Prä­gung)” aus dem Inter­view rausgeht.

Da hat wohl wer wie­der mal nur die rich­ti­gen Fra­gen gestellt. Um nichts davon im Arti­kel zu haben.

Laut Ger­hard Toal wäre die rus­si­sche Fehl­ein­schät­zung, dass “Unter­stüt­zung” für eine Mili­tä­ri­sche Ope­ra­ti­on gege­ben wäre dadurch zu erklä­ren, dass unter­schied­li­che Umfra­ge Insti­tu­te aus den “tem­pora­ry occu­p­ied ter­ri­to­ries” unter­schied­li­che Daten raus­ge­tra­gen haben. Dh. dass Leu­te “erwünscht” geant­wor­tet hät­ten. Damit wäre “die Rus­sen haben ihrer eige­nen Pro­pa­gan­da geglaubt” im gewis­sen Sin­ne objek­ti­vier­bar. Aber das deckt dann auch nur öffent­lich­keits­po­li­ti­sche Aspek­te einer Inva­si­on ab. Das wäre jetzt in etwa so, als wür­den ich argu­men­tie­ren, die US hät­ten den Irak­krieg ver­lo­ren, da die Bevöl­ke­rung sie nicht als Befrei­er gefei­ert hat. Zwi­schen dem Punkt, und dem eigent­li­chen Abzug, gab es noch eini­ge in den Sand gesetz­te Ver­hand­lungs­ent­schei­dun­gen, den Aus­schluss gewis­ser Grup­pie­run­gen von Verhandlungen, …

Ich wer­de an der Stel­le immer so ungut skep­tisch, an der mir jemand zu erklä­ren ver­sucht, dass die Pro­pa­gan­da die in den Separatisten-Regionen nicht erfolg­reich genug war um einen Krieg über­flüs­sig wer­den zu las­sen, jetzt gut genug gewirkt hat um den rus­si­schen Füh­rungs­zir­kel dar­an glau­ben zu las­sen, dass eine Inva­si­on posi­tiv auf­ge­nom­men wer­den würde.

edit: Das gan­ze kul­mi­niert dann dar­in, dass sich Gerald Toal im Mer­shon Cen­ter Video nur unter Vor­be­halt dazu äußert “was Putin per­sön­lich antreibt”, da er hier kein Exper­te sei, im Stan­dard aber genau eine dies­be­züg­li­che Aus­sa­ge der Auf­ma­cher des Arti­kels wird.

Aber es ist mehr als das - zum einen haben wir hier einen Exper­ten der drei (vier auf der Folie, fürs Argu­ment bracht er nur dre) Tele­fon­um­fra­gen im Don­bas dazu nutzt das Nar­ra­tiv zu bau­en, er wüss­te war­um es den Angriffs­be­fehl gab. Eine Her­lei­tung fährt wonach “sozi­al erwünsch­te Ant­wor­ten” je nach Vor­wahl der Num­mer zu unter­schied­li­chen Ergeb­nis­sen geführt haben, dar­aus dann ablei­tet, dass man im Kreml in die­sem Punkt einer Fehl­ent­schei­dung auf­ge­ses­sen sei. Wor­aus dann beim Stan­dard “Putin hat sei­ne eige­ne Pro­pa­gan­da geglaubt” wird. Wir haben hier induk­ti­ve Logik ohne Über­prüf­bar­keit und dann Uber­sprungs­lo­gik, die zur Über­schrift wird.

Es ist aber mehr als das. Die “Inter­pre­ta­ti­on” des “Den­kens und des Geis­tes­zu­stands Putins” durch “ich füh­le, und den­ke mir“und dann Cold Rea­ding durch die Bank ist ein Inter­pre­ta­ti­ons­mo­dus, der sich bei immer mehr Exper­ten fin­den lässt. Die Pro­pa­gan­da Bil­der mit den lan­gen Tischen, die nor­ma­ler­wei­se auf­grund von Signal­wir­kung gemacht wer­den, ani­mie­ren Lend­vai dazu von Coro­na Angst zu schwa­dro­nie­ren, die PR Fotos in ner Groß­grup­pe von Ste­war­des­sen rufen danach aber natür­lich kei­ne ent­spre­chen­de Gegen­re­ak­ti­on her­vor. Selbst Fio­na Hill ist mitt­ler­wei­le bereits unter die Leser von Gemüts­ver­fas­sun­gen und indi­vi­du­ell per­sön­li­chen Moti­va­tio­nen gegan­gen, vor dem Hin­ter­grund dass sie “Putin ein­mal getrof­fen” und ein Buch über ihn ver­fasst hat. Ich mein ich fin­de das ganz nett, wie hier wei­ße Fle­cken durch Cha­rak­ter­in­ter­pre­ta­tio­nen auf­ge­füllt wer­den - aber die Pit­falls von induk­ti­ver Logik beim Lesen von emo­tio­na­len Aus­drü­cken und facial expres­si­ons ken­ne ich seit dem Leu­te wie Renee Ell­o­ry damit in den US Law enfor­ce­ment Arbeit gemacht haben.

Wel­ches Mee­ting, dass wir soet­was jetzt als aner­kann­te Argu­men­ta­ti­on “war­um ein Krieg aus­ge­löst wur­de” akzep­tie­ren, habe ich verpasst?

Nega­ti­ve Attri­bu­ti­on bei hoher Per­so­na­li­sie­rung vor die­sem Hin­ter­grund hat genau eine mög­li­che Wir­kung auf dem poli­ti­schen Par­kett - und die ist, dass dadurch Regime Chan­ge erleich­tert wird. (Für Bevöl­ke­run­gen, für Macht­zir­kel, …) Dass das immer bewußt zum Ein­satz kommt, will ich gar­nicht behaup­ten, Leu­te pro­ji­zie­ren hier oft­mals Wunsch­vorschtel­lun­gen. Wie die pro­ji­zier­te Aus­le­gung einer Exper­ten Mei­nung “was Putin denkt” dann in die Über­schrift von Arti­kel­se­ri­en kommt und zum Haupt­er­klä­rungs­mus­ter in der domi­nan­ten Aus­le­gung des Zeit­ge­sche­hens wird - ist dann jedoch wie­der nur mit Chom­sky (Pro­pa­gan­da­mo­dell des Jour­na­lis­mus) zu erklären.









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