die bisher von allen Medien (NYT, WP, NZZ, Süddeutsche, Standard, Presse, Exxpress, …) als nicht relevant übersehen werden.
- Putin hat versucht den “verrückten Historiker” loszuwerden, in dem er in einer internen Logik kongruente Angaben zu seinem Geschichtsbild gemacht hat, und diese mit einem Folder aus dem Geschichtsarchiv des Kremls zu belegen versucht hat.
Oder in kurz: Die Version die er darstellt ist die Version der offiziellen Geschichtsschreibung Russlands, die von putinnahen Ideologen seit etwa 2014 ausgearbeitet wurde. Und die seit dem von westlichen Ideologen immer als “verrückter Putin” mit “wir und die Ostukrainer sind ein Volk” Ansprüchen geframed wird.
Wobei Putin dieses Framing (“wir und die Ostukrainer sind ein Volk”) im Interview ebenfalls ausgiebig bedient.
Das oder die Breitenmedien haben immer noch recht und er ist jetzt immer noch verrückt, niemand - auch keiner seiner Berater hat ihm vom Interview abgehalten, und in dem Folder den er an seinen Propagandisten Tucker übergibt, könnte ja alles sein. 😉
Zusatz: Putin hat sich keinen Gefallen damit getan das am Anfang des Interviews 25 Minuten lang auszubreiten.
- Putin bezieht sich an einer Stelle direkt auf die Aussagen des ukrainischen Chefverhandlers in Istanbul im ukrainischen Fernsehen und dass dieser zugegeben hat das russische Friedensangebot ausgeschlagen zu haben. Putin framed Boris Johnson als Grund. Der Chefverhandler “damals auf Putin nicht vertraut und die eigene Hand gespielt zu haben”.
Alle deutschsprachigen Medien wissen noch immer nicht wovon überhaupt die Rede ist, aber das ist ja normal.
siehe:
- Putin hat mehrfach wiederholt für Friedensverhandlungen offen zu sein, die Ukraine müsse nur das Gesetz das Selenskyj gegen Verhandlungen erlassen hat kippen, und auf die russischen Bedingungen eingehen. Gespräche seien jederzeit möglich. Das subtext Framing war “unter unseren Bedingungen”. Die meisten Medien haben das nicht gehört. Das Framing ist nicht neu, und die Medien wissen auch davon - dh. es ist ein Spiel bezüglich wann wer verhandeln möchte - wobei die Breitenmedien noch nicht so ganz verinnerlicht haben, dass Selenskyj erst verhandeln möchte, wenn der letzte russische Soldat die Ukraine verlässt, und dann nur über eine Ukraine mit intakter territorialer Integrität. Und dass Selenskyj ein Gesetz gegen Verhandlungen mit Putin erlassen hat. Und dass Putin hier erneut bestätigt hat jederzeit für Verhandlungen offen zu sein.
Für die Breitenmedien ist Selenskyj halt einfach immer noch der Friedenspräsident.. 😉
- Putin hat jegliche imperialen Ambitionen dezidiert zurückgewiesen - ohne Nennung von Georgien und Moldavien, trotzdem ist das berichtete “würde Polen und Lettland nicht angreifen” ein overspecific framing. Putin hat die kompletten imperialen Ambitionen zurückgewiesen.
- Als Grund für den Angriffs Russlands nennt Putin einen angeblich bereits 2014 erfolgten Angriff der Ukraine auf die Zivilbevölkerung im Donbas. Das ist alt. Hier nichts Neues.
- Gleichzeitig spricht Putin auch mehrfach die Sicherheitsordnung in Europa an, über die er gerne mit den USA verhandeln würde. Das haben die meisten Medien aber aufgegriffen.
- Putin verneint dass er einen nuklearen Angriff plane, und schiebt den schwarzen Peter FUD (fear uncertainty doubt) den westlichen Medien zu die damit spielen würden. Gut im russischen Staatsfernsehen wird damit ebenfalls gespielt, und Medwedew spielt damit auf Twitter, und die meisten Experten gehen davon aus, dass ein Einsatz taktischer Nuklearwaffen (as in nicht strategischer) im Falle eines gravierenden operativen Verlustes Russland durchaus eine Eskalationsmaßnahme sein könnte.
- Über die Schwarzmeerregion spricht er nicht, dafür sehr ausführlich über Gespräche mit US Entscheidern in der Vergangenheit, CIA Coups, und ein zu lange zu passiv agierendes Russland.
Also im großen und Ganzen ist jetzt der komplette “Putin würde die Nato angreifen” und der Putin ist verrückt und sozial isoliert Erzählstrang im Eimer - wenn.… Ja wenn da nicht die Deutungshoheit der europäischen Medien wäre, denn man kann Putin ungeachtet der Gepflogenheiten auf dem diplomatischen Parkett (also warum man in die Öffentlichkeit geht, und wie man dort am schlauesten rhetorisch framed (Halbwahrheiten)) immer noch einen Lügner nennen, dem man nichts glauben darf - und dann muss man als westliches Breitenmedium seine Performance nicht evaluieren, denn…
Der Putin greift ja wieder an, und dann Natostaaten, wenn wir ihn nur lassen!
Putin begründet an der Stelle auch warum ers nicht machen würde -- aber wenn eben alles was er von sich gibt gelogen ist…
Die mediale Performance der Berichterstattung über das Interview ist erwartungsgemäß letztklassig.
Die NYT noch vergleichsweise ein Lichtblick. Das WSJ stark untergriffig (was damit zu tun haben dürfte, dass gegen Ende noch “pro forma” über die Freilassung eines ihrer Journalisten “verhandelt wurde” Putin aber nicht den Hauch einer Konzession gemacht hat.
Der Standard hat wieder mal nichts anbrennen lassen und Armin Wolf um eine Einschätzung gebeten, der hat dem Standard dann bestätigt dass Putin rhetorisch sehr fähig ist, und man ihm nichts glauben darf.
Und deshalb dürfen sie alle ja jetzt auch das Video nicht sehen, weil drin gibts eh nichts Neues (doch, einiges). Und deshalb verlink ichs auch nicht.
Über das was heute in den Kommentarsektionen der Zeitung abgeht muss ich mich glaub ich nicht äußern, das ist Hass gechannelt, und wir dürfen ja, denn es gab ja das Signaling eines der prominentesten EU MPs, und vom besten Journalisten des Landes, dass alles gelogen sein dürfte, und außerdem Propaganda, und außerdem nichts Neues, und außerdem sollte man sichs nicht anschauen, weil eh nur alles gezielt manipulativ.
Nicht alles. Aber gut, wenn selbst unsere Journalisten nicht evaulieren können, und noch weniger wollen, da das einige der wirkmächtigsten Narrative des Wertewestens auf einmal abdreht. Kann mans vom Durchschnittsbürger garnicht erst erwarten.
Ich schäme mich wieder mal fürs Mediensystem im Wertewesten. Und bin trotzdem dafür das Meiste nicht für bare Münze zu nehmen.
Ich meine, es waren auch so Schmankerln drin wie, die Ukraine hatte doch so und so einen prowestlichen Präsidenten, nach drei von zwei verfassungsgemäß zulässigen Wahlrunden in 2004, sie hätten die Ukraine auch ganz normal unabhängig deklarieren können, und Russland hätte nicht eingegriffen. Russland habe erst dann eingegriffen, als Russen im Donbas von den Ukrainern in einer Art Bürgerkrieg getötet wurden.
Das ist dann schon mehr Agitation als sonstwas. Geschweige denn Wirklichkeit.
(Putin selbst hat in Interviews zu Protokoll gegeben, zu bereuen den Schritt nicht früher getätigt zu haben, dh - hier gibt es eine inhaltliche Inkonsistenz zu früheren Medien-Auftritten.)
edit: Ah noch ein Punkt. Entnazifizierung sei laut Putin tatsächlich nur als “Entnazifizierung” zu verstehen. Keine pro Nazi, oder pro Bandera Verehrung im Donbas. Dies sei bereits in den istanbuler Vorverträgen in Worte gefasst gewesen.
Ergo, BS Grund, vor allem fürs Freund/Feind Schema, dh. damit die Russen “den Feind” im Krieg als Unmenschen sehen.
Das oder, die Breitenmedien haben erneut Recht und Putin lügt und will eigentlich immer noch die gesamte Führung in Kiew austauschen, und hat sich mit seinem Entnazifizierungs-Ziel selbst enttarnt! (OMG!)
edit2: Mangott heute mit feiner Klinge, einer gezielten Auslassung und reframing:
Im Gespräch mit Carlson denkt Putin wohl, dass ihm ein Trottel gegenübersitzt
Putins Behauptung, die Nato hätte 1990 versichert, sich nicht nach Osteuropa auszudehnen. Dabei gab es niemals ein solches Versprechen – weder mündlich noch schriftlich.
Das “weder mündlich, noch schriftlich” ist meinem Informationsstand nach falsch, es gab diese Zusicherungen mündlich: click
Schließlich ist sich Carlson nicht zu schade, das absurde Argument in den Ring zu werfen, dass die USA Russland provoziert hätten, die Ukraine anzugreifen.
Provoziert haben sowohl die USA als auch die Ukraine. (NATO Pressekonferenz Dezember 2021, und Atlantic Council Framing der PK), im Wesentlichen: Russland ist ein baldiger failed State, den ignorieren wir nicht mal, wenn Russland was will soll es erst mal alle Truppen aus der Ukraine (inkl. der Krim) abziehen, das wäre die beste Option für Russland, erst danach könne man überhaupt wieder über eine Normalisierung der Beziehungen nachdenken. Das war nach den durch Russland gesetzten roten Linien der Truppenaufmärsche.
Provoziert hat aber vor allem die Ukraine:
Und da waren dann noch die Javelins im Donbas die im November 2021 zum Einsatz gekommen sind.
Carson verwendet jedoch keines der Beispiele, sondern stellt das eher als Generalismus in den Raum. Das zu kritisieren ist ok.
Oh ja, und der Russlandexperte des CFR hat die US die Verhandlungen im Jänner vor Kriegsbeginn “zu schnell” abbrechen sehen - aber das ist nur seine Meinung (Thomas Graham hier.)
Also irgendwie… Auch Mangott argumentiert nicht sauber. Aber es ist die beste Analyse des Interviews bisher.
Der Rest seiner Analyse geht meiner bescheidenen Ansicht nach in Ordnung.