Zum Glück war er ja alt, und man hat hier keine Karriere ruiniert… Laut Guérot werden womöglich solche Leute dann, wegen ihres Rufs, von Intendanten “die dann nochmal drüber schauen” aus der öffentlichen Debatte rausgehalten. Da passierts schon mal dass einer Guérot am Tag der Aufzeichnung mit bereits gekauftem Flugticket von der Illner Redaktion abgesagt wird. Wobei, in Österreich wird dann eher nicht mehr eingeladen, wenn einem ein Schriftsteller diesen Ruf verpasst hat.
edit: Einen Tag später:
“Nicht schon wieder, what a bunch of pseudo-intellectual loosers”
Melnyk verurteilt zweiten öffentlichen Brief deutscher Intellektueller (der ein politisches Hinwirken auf einen Waffenstillstand fordert) öffentlich. Auf Twitter. Zu einer Distanzierung des Ukrainischen Außenministeriums hat es diesmal nicht gereicht.
Jetzt neu auf der Persona non Grata Liste:
- Philosoph Richard David Precht
- Schriftstellerin Juli Zeh
- Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar
- Journalist und Verleger Jakob Augstein
- Filmproduzent Alexander Kluge
- Philosoph Robert Pfaller
Initiative wird mit “sie hätten sich nicht mit internationaler Politik beschäftigt, und außerdem keine Lösungsvorschläge” abgeschmettert, da sie auf die Welthungerkrise eingehen und chomskynahe Argumente zitieren.
Ich sags ja, einfach die falschen Freunde… Gleich deplattformt.
Unglaublich! Die Position der Ukraine wird ERSTMALS in den deutschsprachigen Medien korrekt wiedergegeben. Dh. man hat endlich Pundits rausgekarrt die erstmalig versuchen die tatsächliche Position für die Öffentlichkeit zu framen.
“Glauben sie dass die Ukrainer, obwohl sie ja millitärisch massiv unterlegen ist, diesen Krieg doch noch zu einem Gewinn, nennen wir es mal - Sieg möchte ich nicht sagen, aber Gewinn führen kann?”
“Also, was die Ukraine erreichen möchte, und eigentlich aus ihrer Sicht muss [Anmerkung: innenpolitischer Druck], ist die territoriale Integrität des Januars, des Februars 23 zurückzugewinnen - ” “22 [… Einhaken des Moderators]” - “Ja also bevor der Krieg ausbrach.”
“-- Und wenn sie das erreichen könnte, wenn wir sie so unterstützen, dass das funktioniert und die Russen mit ihrer Menge an Personal, an Munition - auch zu irgendeiner Pause kommen - die man nutzen könnte …” [Anmerkung: Wiederherstellung der Grenzen vom 23.2. als Vorbedingung für eine Waffenruhe.] -- “Dann wäre auch die Chance der Verhandlungsmacht für die Ukraine da - über alles zu reden, nicht nur über den Zustand vor dem 24., sondern auch über die Fragen des Donezk generell, und auch der Krim. Wie weit das dann führt und wie schnell das zu einem Ergebnis führt, im Sinne der Ukraine [Anmerkung: Die ja alleine entscheiden können muss - aktuell das gemeinsame Narrativ aller G7 Staaten.], die ja ihre ursprüngliche territoriale Integrität natürlich im Auge hat, das wird sehr davon abhängen, dass die westlichen Staaten die jetzt die Ukraine unterstützen, an ihrer Unterstützung dieser territorialen Integrität festhalten. Es gibt ja schon eine ganze Reihe von Stimmen, die diese Souveränität vielleicht nicht, aber die territoriale Integrität, ja durchaus sagen, na also da müsst ihr Abstriche machen. Also das wird man sehen müssen. Ich bin optimistisch in sofern, als dass wenn es zu einem Zustand kommt, wo ukrainisches Terrain besetzt ist von Russen, dann wird es dort nicht ruhig werden.”
Jetzt gibt es mit dem Framing ein Problem “es gibt ja bereits Leute die bei der territorialen Integrität Abstriche machen wollen”, war in den ersten zwei Monaten das Hauptnarrativ in den deutschen und österreichischen Medien dafür was Selenskyj bei den Friedensverhandungen macht. Ernsthaft verhandeln nämlich - und nicht nur zu etablieren, dass er bereit ist sich mit Putin zu Friedensverhandlungen zusammenzusetzen, wenn sich Russland KOMPLETT aus dem Territorium der Ukraine zurückzieht. Das war aber seit dem ersten Interview der Fall. Die Medien haben dann immer den Teil “bei der Wahrung der vollständigen Integrität der Ukraine” aus den Interviews geschnitten (bis auf die Periode von einer Woche in der die Ukraine auch über das Konzept einer Neutralität nachdenken wollte, und die US dann signalisiert haben, dass sie die Position der Ukraine nicht mehr verstehen, klammert man die aus, war die veröffentlichte Position immer die selbe) um ihren “Selenskyj ist für Friendensverhandlungen” Artikel geschrieben zu bekommen.
Das hat dann Anfang Juni zu Verwirrungen geführt, als die ersten westlichen Experten (verfolgen auch nur Medienberichterstattung) mitbekommen haben, dass das garnicht der Fall ist. Siehe Mangott in der ZIB2, die genannten “widersprüchlichen Aussagen Selenskyjs” gab es nicht. Die Medien haben nur selektiv berichtet. Die Beobachtung von Mangott war zu dem Zeitpunkt als er sie in der ZIB2 gemacht hat - falsch.
Kuleba hat dann in Davos nochmal klargestellt wie sich westliche Partner bei der Etablierung von Friedensverhandlungen zu verhalten hätten. Westliche Initiativen wären willkommen, solange die territoriale Integrität der Ukraine nicht angetastet wird und diese keine neuen “Kontaktlinien festlegen”. Siehe: click (Die Primärquelle ist mittlerweile privat geschalten, aber ich schwöre hoch und heilig, dass Kuleba das auf der Pressekonferenz in der Form ausformuliert hat).
Soweit zu den Rahmenbedingungen, jetzt zum Problem.
Das aktuelle Framing bei Phoenix ist ja “dass es jetzt auch Leute geben würde, sie langsam beginnen würden die territoriale Integrität der Ukraine als Basis für Friedensverhandlungen ‘anzutasten’ ” -- jetzt ist aber die gesamte Medienlandschaft, inklusive Mangott am 1. Juni noch davon ausgegangen, dass die Ukraine bei Friedensverhandlungen nicht auf die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine beharrt (und nur für Waffenstillstandsverhandlungen auf die territorialen Grenzen vom 22.2. besteht). Also Leute die das als Vorbedingung langsam beginnen würden anzutasten, waren wir alle. In den ersten vier Monaten des Krieges. Ich etwas kürzer da ich nach zwei Monaten den konstanten Widerspruch zu den Primärquellen gesehen habe (Medien schneiden immer “bei vollständiger territorialer Integrität der Ukraine” aus der “Selenskyj will Friedensverhandlungen” Berichterstattung).
Bonus: Selbst die EUging noch am 06.04 davon aus. (Die Medien haben natürlich sicherheitshalber nicht berichtet.)
Und was machen wir jetzt?
Die Alice Schwarzer Fraktion verarschen und verachten, weil der Krieg jetzt ganz offiziell solange weitergeführt werden soll, bis Russland zumindest alle bisher eroberten Teilgebiete seit dem 24.02. verliert, in einen Rückzug getrieben wird, und sich daraus dann die verbesserte Verhandlungsposition der Ukraine ergibt, aus der diese dann bereit wäre über den Donbas und die Krim zu verhandeln, die nach einigen Jahren unter Selbstverwaltung wieder in die Ukraine eingegliedert werden sollen. (Sich unter nationaler Zugehörigkeit der Ukraine befinden sollen, wenn ein Friedensvertrag unterzeichnet wird.)
Mich macht das seit drei Monaten komplett fertig.
Aber jetzt höre ich, das war schon immer so, und es wären nur die Zweifler gewesen, die geglaubt hätten, die Ukraine würde tatsächlich bereit sein in Verhandlungen Territorien (die Krim, den Donbas) aufzugeben.
Weil das kaputte Mediennarrativ soeben gekittet wurde, muss hier gelogen werden.
Am Besten geht das zu einem Zeitpunkt an dem man Stärke projiziert, dh. Davos, oder während des Nato Summits, da kann man dann behaupten, das war doch immer schon so, und nur Spalter oder womöglich Zweifler seien jemals davon ausgegangen, dass die Ukraine ihre komplette territoriale Integrität nicht wieder herstellen kann.
Darin ist auch noch implizit enthalten, dass der Westen jetzt geeint so lange weiter Waffen liefern muss, bis dieser Punkt erreicht wird (das ist noch einmal eine Steigerung zu “die Ukraine muss selbst entscheiden wann der Punkt erreicht ist an dem sie verhandeln möchte”), oder bis sie aus Gründen eines weniger günstigen Kriegsverlaufs ihre Position ändert. Wovon per heutigem Datum niemand ausgeht.
Und solange wird erst mal weiter gestorben.
Weil Putin ja neokolonialistisch unterwegs ist und immer weiter Grenzen verschieben würde ((auch bis in den Nato Raum hinein), auch wenn er diese Gebiete mit allen mobilisierbaren Truppen nicht halten kann, trotzdem aber neokolonialistisch agiere), aber ihn Biden auf dem Nato Gipfel gerade verhöhnt hat, dass er eine “Finlandisierung” der Ukraine wollte aber eine “Natoisierung” Europas erreicht hat.
Ulrike Guérot verzweifelt an diesem Punkt (“vielleicht gehen wir öffentlich von falschen Grundannahmen aus”) im unten verlinkten Video ebenfalls. Unter anderem.
Es sind diese Details die mich wieder und wieder formulieren lassen - diese Gesellschaft ist das absolut Allerletzte.
Hier einige der früheren Blogeinträge im zeitlichen Verlauf:
19.03. (erstmals das Rauseditieren der “territorialen Integrität” in den Medien gesehen, Volltext ist im Beitrag enthalten), 20.03., 22.03., …
“Putin wanted the Finlandization of Europe, now he gets NATOization”.
Passt auch super mit dem Narrativ zusammen, dass Putin in der Ukraine Neokolonialismus betreibt.
Propaganda hätte ich aber noch immer keine entdeckt.
edit: Auch neu - der Nato Gipfel sei ein “Aufbruch” zu einer neuen Militärdoktrin. (Von “Tripwire” auf “Forward defense”.) Die Wiener Zeitung überschlägt sich gerade vor Freude, dass Stoltenberg eine Aufstockung der sofortigen Eingriffstruppen der Nato auf 300.000 Mann (eine Verachtfachung) zugesagt wurde. Dabei gibts aktuell (kann morgen anders sein, ich editiers dann) ebenfalls ein kleines Problem. Deutschland hat nur die Ausbildung einer neuen Eingriffstruppe mit 15.000 Mann für die baltischen Staaten in Planung. Dh. aktuell ist der “Aufbruch” soweit das zu erkennen ist, der Bau von Logistik Infrastruktur, um eine 300.000 Mann starke sofortige Eingriffstruppe schnell an die EU Aussengrenzen zu verschieben. Deutschland dürfte da als Zahnrad in der Militärlogistik in Europa eine wichtige Rolle spielen. Also der Aufbruch ist jetzt erst mal der Ausbau von Militärlogistik? Für “wer auch immer 300.000 Mann sofortige Eingriffstruppe” schicken kann? Naja, Schweden überlegt wieder die generelle Wehrpflicht einzuführen (aktuelle Diskussion im Parlament), das werden also wohl die Schweden sein. *hust*
edit2: Es scheint als ob ich hier richtig liege:
Umsetzung (300.000 aktive Mann Sondereinsatztruppe) übrigens nächstes Jahr.
Nichts worüber die deutschsprachigen Medien berichten müssten, natürlich… 😉
edit3: Ah, Democarcy now hat die Bestätigung.
At a Nato summit in Madrid, Spain, President Biden has announced plans to greatly expand the US military presence in Europe, including building a permanent headquarters for the US fifth army core in Poland and deploying more troops to Romania and the baltic region. Biden said, this is part of a broader Nato expansion.
Dazu wäre es gut, wenn man die “keep Germany down” foreign policy Doktrin kennt, siehe click (bei 6:30 in), und click.
Siehe auch “The new Robert Schuhman moment” der Autor aus dem ersten click link wird von der Hoover Institution als “kein Schwächling” positiv konnotiert referenziert.
Ist hier jetzt natürlich nicht die Erklärung dafür warum es passiert, spielt aber geopolitisch definitiv mit rein.
Hurra, Aufbruchsstimmung! Das 5. US Army Core permanent in Polen. Und mehr US Truppen in Rumänien und dem Baltikum. Endlich. 🙂 Die Wiener Zeitung freut sich über so viel Aufbruchsstimmung… 🙂
Ja sag einmal, diese Zeitenwende zerstört aktuell aber grad viele prominente Leben… Karrieren ja nicht mehr, sind ja alle zu alt.
Diese Gesellschaft ist das Allerletzte.
edit: Kontext:
In der vergangenen Woche trat Ulrike Guérot am Tag nach der Ausstrahlung ihres Auftritts bei „Markus Lanz“ im Youtube-Kanal Infrarot auf, um in der Interviewsendung „Klare Sicht“ zu sagen, was sie im ZDF angeblich nicht hatte sagen dürfen. Der Geschäftsführer der Betreiberfirma von Infrarot ist ein ehemaliger Chefredakteur des in Deutschland verbotenen russischen Senders RTDE. Die Moderatorin von „Klare Sicht“, eine aus Rumänien gebürtige Sängerin mit dem Künstlernamen Paula P’Cay, hat ebenfalls für RTDE gearbeitet; die Gründerin einer „Humanistischen Friedenspartei“ verbreitet auf Telegram medizinische Legenden zur Covid-19-Pandemie. Guérot erzählte von ihrer Studienzeit in den Achtzigerjahren. In Paris habe sie sowjetische Studien und Osteuropakunde bei Hélène Carrère d’Encausse studiert. Die weltberühmte Historikerin mit Sessel in der Académie française habe ihren Studenten beigebracht, sie müssten ernst nehmen, was die Russen sagten. „Es ist wichtig, ob das Wort in der ersten, dritten oder fünften Zeile steht, ob da ein Punkt davor ist oder ein Komma – alles hat eine Bedeutung.“Über die Wichtigkeit von Wortwahl, Satzstellung und Zeichensetzung werden auch Studienanfänger in propädeutischen Veranstaltungen zur Prophylaxe von Plagiaten aufgeklärt. In Ulrike Guérots Bestseller von 2016 finden sich Anwendungsbeispiele genug.
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